Kryson 02 - Diener des dunklen Hirten.epub
dass ich nicht eher kommen konnte, um dich aus den Klauen dieser Dämonen zu befreien«, flüsterte sie. »Bleib bei uns. Kämpfe gegen die Schatten, Taderijmon. Ich werde dir helfen. Halte durch.«
Taderijmon gab einen kehligen Laut des Schmerzes als Antwort von sich. Der Versuch eines zustimmenden Lächelns scheiterte. Das Gesicht des Naiki war eine einzige offene fleischige Wunde.
Baijosto hatte den Krolak in sich erneut überwunden und trat in der Gestalt des Naikijägers an die Seite von Metaha. »Wird er durchkommen?«, fragte er ängstlich.
»Ich weiß es nicht«, schüttelte Metaha resignierend den Kopf, »Haisan und Hofna haben ihn übel zugerichtet. Die Wunden sind nicht tief, dafür aber zahlreich und breitflächig. Er hat viel Blut verloren. Ich werde mein Bestes versuchen. Kümmere du dich um Belrod. Er braucht dich. Im Augenblick ist er schutzlos. Wenn sein Körper das Gift abgebaut und die Lähmung nachgelassen hat, folgt uns in die Siedlung. Wir werden den inneren Rat zusammenrufen und uns auf einen Besuch des dunklen Hirten vorbereiten müssen.«
»Glaubst du, er wird einen Angriff wagen?«, wollte Baijosto wissen.
»Das wird er, dessen bin ich mir sicher. Er weiß nun, dass wir Naiki in den Wäldern des Faraghad leben und einen Lesvaraq beherbergen, den wir mit unserem Leben beschützen. Aber wir sind ihm nicht schutzlos ausgeliefert, wenn wir uns vorsehen und zur rechten Zeit wappnen.«
»Der Lesvaraq wurde geboren?« Baijosto wirkte überrascht.
»Vor wenigen Horas, ja. Es ist ein Mädchen. So etwas gab es noch nie zuvor und sie strahlt wie das hellste Licht, das selbst durch die Finsternis einer Blinden dringt.«
»Aye, das ist gut«, antwortete Baijosto mit einem hoffnungsfrohen Lächeln.
Während sich Metaha mit Taderijmon auf den Weg in die Siedlung machte und Baijosto auf die Genesung Belrods wartete, lag in der Siedlung ein neugeborener Säugling warm und geborgen an der Brust seiner Mutter und trank die erste Milch, um sich zu stärken und zu wachsen.
Ein Zeichenträger war geboren. Ein Lesvaraq.
Metaha dachte lange über einen Namen für das Kind nach und ihr fiel ein uralter Begriff ein. Ein schönes und vor allen Dingen treffliches Wort aus der Sprache der Altvorderen. Kallya bedeutete Hoffnung. Und Hoffnung war es, was die Naiki von diesem Lesvaraq erwarteten.
Sie nannten das Mädchen Kallya.
*
Der Weg zum Geburtshaus von Eisbergen kam Madhrab wie eine Ewigkeit vor und er hatte sich wahrlich beeilt. Aber er wusste, dass Elischa dringend Hilfe brauchte. Hilfe, die er ihr nicht geben konnte. Für einen Bewahrer war dieser Zustand der unfreiwilligen Teilnahmslosigkeit eine erschütternde Erkenntnis und eine ungewohnte Erfahrung, mit der er nur schwer zurechtkam. Schließlich war es doch ihre ureigenste Aufgabe, die Ornas zu schützen. Dieser Verpflichtung hatten sie sich zeit ihres Lebens verschrieben. Sie nicht erfüllen zu können war in der Vorstellung der Bewahrer nicht vorgesehen.
Madhrab hatte sich seit Monden nicht die Haare geschnitten oder den Bart rasiert. Seit ihrer Ankunft in Eisbergen hatte er keine Gelegenheit gefunden, sich der dringend benötigten Körperpflege zu widmen. Wenigstens hatte ihm Elischa beim Wiederaufbau seiner während der Folter verloren gegangenen Zähne geholfen. Ihre Fähigkeiten erstaunten ihn immer wieder aufs Neue. Die Prozedur war zwar schmerzhaft, aber das Ergebnis diesen Preis wert. Die Zähne wuchsen tatsächlich nach, langsam zwar, aber er konnte bereits das Durchbrechen in seinem entzündeten Zahnfleisch spüren. Eine solche Erneuerung seines Gebisses hatte der Lordmaster für vollkommen unmöglich gehalten.
Die Gefangenschaft und die Flucht hatten dennoch ihre Spuren bei ihm hinterlassen. Seine Kleidung war zerschlissen und wies an zahlreichen Stellen Risse und Löcher auf. Die durchgelaufenen Stiefel bedurften einer neuen Besohlung. Während er durch die schneebedeckten Straßen Eisbergens rannte und sich seinen Weg ohne Rücksicht auf Passanten bahnte, wurde er mehrmals mit einem Kopfschütteln und mit im Zorn gerufenen Schimpfworten bedacht. Hätten die Betroffenen gewusst, dass ein Bewahrer sie angerempelt oder umgestoßen hatte, wären die ärgerlichen Reaktionen gewiss verhaltener ausgefallen. Doch so vermittelte Madhrab den Eindruck eines verwahrlosten Räubers mit höchst rüpelhaftem Benehmen. Manche Klan hegten den Verdacht, Madhrab hätte etwas ausgeheckt und befände sich auf der Flucht vor den Stadtwächtern oder den
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