Kryson 02 - Diener des dunklen Hirten.epub
nicht nötig sein. Sie werden uns aus freien Stücken tragen.«
»Und wo sind die Sättel, damit ich mich wenigstens festhalten kann, um nicht gleich herunterzufallen? Ich werde mir alle Knochen brechen!«, Elischa wurde jetzt immer verzweifelter.
»Es gibt keinen Sattel«, nahm ihr Madhrab die letzte Hoffnung, »aber vertraue mir. Feera ist ein wundervolles Pferd mit einem fließenden, geschmeidigen Gang. Sie wirft dich nicht ab.«
Elischa hatte ein flaues Gefühl im Magen. Aber was blieb ihr anderes übrig, als sich in ihr Schicksal auf dem Rücken eines wilden Pferdes zu ergeben. Es gab weit Schlimmeres, sagte sie sich. Betrüblich erschien ihr die Tatsache, dass sie das Haus des hohen Vaters und der heiligen Mutter durch die veränderten Umstände nun wesentlich früher als geplant erreichen würden. Der Fußmarsch wäre zwar beschwerlich gewesen, hätte aber die gemeinsame Zeit mit Madhrab verlängert.
»Wann brechen wir auf?«, fragte Elischa.
»Ich schlage vor, du legst dich noch bis zur Morgendämmerung schlafen. Ich werde Wache halten, damit wir nicht unangenehm überrascht werden. Wir reiten dann mit den ersten Sonnenstrahlen los«, meinte Madhrab, »in ein oder zwei Tagen werden wir zu Hause sein.«
»So bald schon?«, brachte Elischa mit erstickter Stimme heraus.
So bald schon. Ihre Stimme hallte in Madhrabs Kopf wider. Der Lordmaster schwieg. Er wusste, was in ihr vorging und wie sie sich fühlen musste. Ihm ging es ähnlich. Die Zeit ihrer ungestörten Tage ging zu Ende.
Die Zeit des Wartens war vorüber. Vier unendlich lange Tage und Nächte hatte Nalkaar mit einem fluchenden und nörgelnden Grimmgour verbracht, als die angekündigte Kutsche endlich über den unebenen Weg zu ihrem behelfsmäßig zwischen Sträuchern und Büschen eingerichteten Versteck polterte. Ein fettleibiger Kutscher mit einem breiten Hut auf dem Kopf, die Hutkrempe tief ins Gesicht gezogen, saß auf dem Kutschbock und pfiff eine lustige alte Weise vor sich hin.
Er hatte einen alten, abgemagerten Gaul, dessen Rippen deutlich unter dem stumpfen Fell hervortraten, vor den kleinen Wagen gespannt. Das Pferd mühte sich trotz wundgescheuerter Flanken und gelegentlichem Hinken redlich, die Last hinter sich herzuziehen. Aber das arme Tier schwitzte, schäumte, schnaubte und hustete dermaßen, dass Nalkaar schon befürchtete, es könne nach nur wenigen Schritten zusammenbrechen und den vor ihnen liegenden Weg keinesfalls bewältigen. Am Ende der Kutsche war ein gesatteltes Reitpferd angebunden, das frisch und munter tänzelnd hinter dem Wagen herlief.
In den letzten Tagen hatte der Todsänger Grimmgour füttern und waschen, ihm Wasser reichen, ein Lager bereiten, seine Wunden versorgen und ihn immer wieder von einer Seite auf die andere drehen müssen. Die Versorgung und Pflege des hilflosen Krüppels war ihm zutiefst zuwider.
Der Todsänger war kein Wesen wie jedes andere. Er nahm keine gewöhnliche Nahrung zu sich und hatte Mühe, mit den körperlichen Bedürfnissen des Rachuren zurechtzukommen. Aber er hatte es sich zur Aufgabe gemacht, den Sohn der Rajuru lebend zu seiner Mutter zurückzubringen. Was auch immer die Saijkalsanhexe mit Grimmgour in dessen erbärmlichem Zustand anstellen wollte, sie hatte als Mutter jedes Recht dazu und Nalkaar würde es ihr verschaffen. Insgeheim erhoffte er sich davon, dass sie ihn für sein Versagen in der Schlacht milde behandelte. Er hatte den Bewahrer unterschätzt. Sie alle hatten Lordmaster Madhrab unterschätzt.
Entgegen allen Erwartungen hatte Jafdabh also tatsächlich Wort gehalten und einen Wagen geschickt. Das ermöglichte Nalkaar die Weiterreise, zumindest solange das Pferd durchhalten mochte, und seinem Ziel ein gutes Stück näher zu kommen. Immerhin waren dies weit bessere Aussichten, als noch einen weiteren quälenden Tag des Wartens mit Grimmgour zu verbringen.
Der Kutscher grüßte freundlich lächelnd, indem er den Hut von seinem kahlen Kopf zog und eine Verbeugung andeutete. Kaum angekommen ließ sich der dicke Mann schwerfällig von der Kutsche fallen. Nalkaar dachte bei der ungeschickten Bewegung unweigerlich an einen nassen Sack voll Mehl. Jedenfalls war das Geräusch, das der Kutscher verursachte, als er auf die Erde plumpste, einem aus geringer Höhe fallenden Gegenstand dieser Art nicht unähnlich.
»Jafdabh schickt mich«, rief der Kutscher mit knarrender Stimme, während er sich aufrichtete und die Hosen vom Staub ausklopfte, »ich soll Euch beim Beladen der
Weitere Kostenlose Bücher