Kryson 02 - Diener des dunklen Hirten.epub
Vielleicht war es seine Bestimmung, als Krieger in einer solch entscheidenden Schlacht zu sterben. Es fiel ihr schwer, dies zu akzeptieren.
Der Bewahrer trug gewiss keine Schuld an ihrem Leid. Hätte er es vermocht, er hätte das Schlimmste mit Sicherheit verhindert. Dieser wortkarge Mann war immer zuvorkommend, hilfsbereit und liebevoll gewesen. Die Kinder bewunderten ihn wie kaum einen anderen. Er hatte den Knaben den Umgang mit dem Schwert und einige besonders ausgefeilte Tricks gezeigt. Dafür liebten sie ihn. Madhrab konnte abenteuerliche Geschichten aus seinem Leben als Bewahrer erzählen, die von den Kindern mit offenen Mündern staunend aufgenommen wurden. Tadeira musste aufpassen, dass ihm ihre Söhne nicht ebenso verfielen, wie dies bei Gwantharab der Fall gewesen war.
Die Freudenrufe der Kinder über den unerwarteten und hochwillkommenen Besucher schreckten Tadeira aus ihren Gedanken hoch. »Madhrab, welch freudige Überraschung«, begrüßte sie den Lordmaster, wischte sich eine Träne aus dem Gesicht und rang sich ein Lächeln ab.
»Schön, Euch und die Kinder gesund zu sehen«, antwortete Madhrab mit belegter Stimme, dem die Gefühlsschwankungen Tadeiras nicht entgangen waren, die ihn nur zusätzlich betroffen stimmten.
Er hatte nichts anderes erwartet. Dieser Besuch war ohne jeden Zweifel schwer.
Tadeira bat den Bewahrer herein und trat dabei zur Seite, um den Eingang freizugeben. Sofort wurde er von den Kindern zu einem gemütlichen Stuhl gezerrt und musste sich setzen. Die Wohnstube war zwar spärlich, aber gemütlich und warm eingerichtet. Boden, Decke und Wände bestanden aus Holzplanken. In der Mitte des Raumes war, mit verrußten Steinen umgeben, eine Koch- und Feuerstelle in den Boden eingelassen. Das Feuer war erst kürzlich entzündet worden. Hell und gierig züngelten die Flammen an den gerade aufgelegten Holzscheiten empor. Ein Topf mit Wasser dampfte darüber. An der Decke befand sich ein breiter Rauchabzug, der über das Dach des Hauses nach draußen führte. Auf dem Tisch stand eine Öllaterne, deren schummriges Licht den Raum nur zur Hälfte ausleuchtete. Tadeira entzündete Kerzen in einigen Wandnischen der Wohnstube. Es roch angenehm nach frischen Kräutern und gebackenem Brot.
In einer Ecke auf dem Boden lagen einige handgeschnitzte Spielsachen der Kinder auf einer schlichten Wolldecke. Eine Kutsche und ein Pferd aus Holz. Einige kleinere Tierfiguren und eine Puppe, die in einer rot gefärbten ledernen Rüstung steckte. Das Gesicht besaß eine verblüffende Ähnlichkeit mit seinem eigenen, wie der Lordmaster erstaunt feststellen musste. Gwantharab hatte sich neben seinem Dasein als Kaptan der Sonnenreiter gut auf das Tischlerhandwerk verstanden. Vielleicht hat Gwantharab tatsächlich seine wahre Berufung verfehlt, dachte Madhrab traurig beim Anblick der Dinge.
Tisch, Stuhl und Bänke hatte er ebenfalls liebevoll selbst gefertigt. Es schien, als wäre der Freund in seinem Haus immer noch gegenwärtig. Das Haus und seine Wände, jeder Gegenstand, der die unverkennbare Handschrift Gwantharabs trug, atmete ihn mit jedem seiner Wesenszüge. Einige der Kinder, insbesondere die Knaben, waren ihm so ähnlich, dass Madhrab dachte, sie seien ihm wie aus dem Gesicht geschnitten. Am nächsten kamen ihm jedoch die Zwillinge Foljatin und Hardrab, die sofort, einer links, der andere rechts, auf seinen Schoß gehüpft waren und ihn mit großen Kinderaugen anlächelten.
»Ihr seid gekommen, um meine Söhne zu holen, nicht wahr?«, fragte Tadeira ängstlich, während sie mit der Sorge einer Mutter auf ihre Zwillinge auf den Knien des Bewahrers blickte.
»Nein, Tadeira«, erwiderte Madhrab leise, »ich kam zu Euch, weil Gwantharab ein sehr guter und teurer Freund war. Ich schulde ihm mein Leben. Sein Grab und Euch zu sehen war mir ein großes Bedürfnis. Ihr müsst wissen, Euer und das Wohlergehen der Kinder liegen mir sehr am Herzen. Aber ich will Euch nicht verschweigen, was Gwantharabs letzter Wille war, denn er bestätigt Eure Befürchtung wenigstens zum Teil. Ich gab ihm ein Versprechen. Das ist wohl wahr. Aber die Knaben sind noch zu klein, um sie weg von ihrer Mutter und in meine Obhut zu den Bewahrern zu geben. In einigen Sonnenwenden vielleicht, wenn der Schmerz des Verlustes womöglich nachgelassen hat.«
»Wie konnte er mir das nur antun?«, fragte Tadeira vorwurfsvoll mit Tränen in den Augen. »Wie sollte ich Euch, der Ihr Schuld am Tod meines Mannes tragt, jemals guten Gewissens
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