Kryson 02 - Diener des dunklen Hirten.epub
unversehens auf und stürzte sich wutentbrannt auf ihn. Seine Hände legten sich wie von alleine um den fetten Hals seines Gefährten und drückten gefährlich fest zu. »Du warst an meinen Sachen, Pruhnlok!«, Renlasols Stimme überschlug sich.
»He, bist du verrückt?«, keuchte Pruhnlok atemlos. »Du nimmst mir die Luft zum Atmen!«
»Gib zurück, was du mir genommen hast, und wir vergessen die Sache. Wenn nicht, werde ich so lange zudrücken, bis dir die Augen aus dem Schädel quellen, deine Lippen blau anlaufen und deine Zunge schlaff aus dem Mund hängt«, drohte Renlasol.
»Hör auf, Renlasol«, hörte der Knappe Drolatol hinter ihm sagen. »Lass ihn los! Bei allen Kojos, was ist denn in dich gefahren?«
Vier Arme packten Renlasol von hinten und zogen ihn mit vereinten Kräften von Pruhnlok weg. Renlasol wehrte sich und wollte um sich schlagen, doch Yilassa nahm ihn erneut in die Arme und zog den Knappen fest an sich.
Pruhnlok setzte sich ans Feuer und rieb sich verwundert Augen und den schmerzenden Hals, auf dem sich dunkelrot Fingerabdrücke zeigten. Der Küchenjunge wusste nicht, wie ihm geschah. Er hatte nichts angestellt und war sich daher auch keinerlei Schuld bewusst.
»Ich habe dir nichts weggenommen«, flüsterte Pruhnlok.
»Schon gut«, antwortete Renlasol, beruhigte sich allmählich wieder, blickte dabei den Küchenjungen argwöhnisch und wenig überzeugt an, »ihr könnt mich loslassen. Ich werde ihn nicht mehr angreifen. Vielleicht war er an meinen Sachen, vielleicht auch nicht. Jedenfalls kann ich es nicht beweisen. Sollte ich ihn allerdings eines Tages erwischen, werdet ihr mich nicht zurückhalten.«
Drolatol und Yilassa sahen sich besorgt an, nickten sich zu und ließen die Arme des Knappen gleichzeitig los.
»Es war ein langer und anstrengender Tag. Lasst uns schlafen gehen«, sagte Yilassa schließlich, »ich übernehme die erste Wache.«
Wortlos rollten sich die Gefährten in ihre wärmenden Decken und legten sich möglichst in der Nähe des Feuers auf die Erde – aber, soweit es Renlasol und Pruhnlok anging, weit voneinander entfernt. Yilassa hingegen entfernte sich einige Fuß vom Lager, bis sie im Schein des Feuers nicht mehr gesehen werden konnte. Dann begann sie langsam und in gleichmäßigen Schritten die Lagerstätte zu umkreisen, den Blick in die Dunkelheit gerichtet. Sie zählte jede Runde. Wenn sie zum fünfzigsten Mal ihren Ausgangspunkt wieder erreicht hatte, war ihre Wache zu Ende und Drolatol kam als Nächster an die Reihe. Erst wenn sich die Nacht ihrem Ende zuneigen sollte, war unmittelbar nach Pruhnloks Wache Renlasol bis zum Sonnenaufgang dran, die Augen vor möglichen Gefahren und ungebetenen Gästen offen zu halten.
Während der Nacht war ein frischer Wind von den Bergen aufgezogen, hatte dunkle Wolken und den ersten Schnee dieser Sonnenwende mitgebracht, der die Landschaft schon bald mit einem feinen weißen Schleier bedeckte.
Mit dem ersten Tageslicht weckte Renlasol die Gefährten. Jeder hatte während seiner Wache auf das Feuer geachtet und Holz nachgelegt, sobald es drohte auszugehen. Dadurch konnten sie ihre steifen Glieder gleich nach dem Aufstehen aufwärmen und auch ein angemessenes Frühstück über den Flammen kochen. Einen Beutel mit Kräutern zur Zubereitung des Morgenruftrankes, der ihnen auf der Reise ein ums andere Mal die müden Geister weckte, nahmen sie in großer Dankbarkeit von Elischa an.
An diesem Morgen packten die Gefährten schweigsam ihre Sachen zusammen und brachen das Lager gleich nach einer kurzen Wäsche, der Verrichtung ihrer Notdurft und dem Frühstück ab. Es bestand Einigkeit zwischen ihnen, als Nächstes die Hütte an der Grenze zum Land der Bluttrinker aufzusuchen. Glücklicherweise hatte jeder von ihnen an die Mitnahme mit Fellen gefütterter Wollmäntel und Handschuhe gedacht, die ihren Körper auf dem weiteren Ritt in Richtung Nordwesten warm hielten.
Seit sie aufgebrochen waren und ihre Pferde dem Riesengebirge entgegengelenkt hatten, wurde Renlasol das Gefühl nicht los, ständig bergauf zu reiten. Sein Gefühl täuschte ihn nicht. Tatsächlich führte sie der Weg immer weiter nach oben.
Die kalte Witterung hatte immerhin einen entscheidenden Vorteil: Der anhaltende Verwesungsgestank des Flusses ließ endlich nach. Es war eine Wohltat für die Gruppe nach Tagen des bestialischen Gestankes, der die Gemüter und die Sinne bedrückt hatte, wieder frei aufatmen zu können. So besserte sich die Laune erheblich, je
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