Kryson 02 - Diener des dunklen Hirten.epub
erschrak und wich ein Stück weit von der Fensterscheibe zurück. Die Gestalten in den langen weißen Gewändern waren Kinder. Ein Junge und ein Mädchen. Vielleicht waren sie im gleichen Alter oder zählten sogar einige Sonnenwenden weniger als Renlasol selbst. Ihre Haut wirkte blass im Mondlicht, doch aus dunkel umränderten Augen funkelten ihre Augenpaare wie die einer Raubkatze. Sie hatten keine Ähnlichkeit mit den Kriechern, die Renlasol eher als der tiefsten Finsternis entsprungene widerliche Kreaturen ansah. Das Paar hingegen hatte Ähnlichkeit mit den Nno-bei-Klan, obwohl es auf seine Weise unnatürlich aussah. Eine Aura des Todes umfing die beiden. Das Mädchen hatte ihr aschblondes Haar zu langen, breiten Zöpfen gebunden, die links und rechts über ihre schmalen Schultern herabfielen. Der Junge war gut einen Kopf größer als das Mädchen und trug schulterlanges, glattes und dunkles Haar. Sie waren barfuß und schritten durch die um die Grenzhütte versammelten Kriechermassen, die demütig den Kopf vor ihnen neigten.
Nicht weit von ihnen entfernt befand sich eine Gruppe von Klan. Soweit Renlasol das durch das Fenster erkennen konnte, handelte es sich um zwei Frauen, einen Mann und drei Kinder. Die Kinder weinten und schlotterten vor Angst. Der Mann flehte mit gebrochener Stimme um das Leben seiner Familie. Sie waren von den Kriechern umzingelt und kauerten schutzlos am Boden. Die Königskinder schritten direkt auf die Familie zu. Als sie den verzweifelten Mann erreicht hatten, der allem Anschein nach der Vater sein musste, blieben sie vor ihm stehen. Das Mädchen beugte den Kopf, schnüffelte am Haar des irritierten Mannes, rümpfte schließlich die Nase und schüttelte enttäuscht den Kopf. Obwohl sie ihre Lippen überhaupt nicht bewegte, konnte Renlasol ihre helle Mädchenstimme glasklar verstehen. Ein Schauer lief über seinen Rücken, denn es kam ihm so vor, als spräche sie ihre Befehle unmittelbar neben ihm.
»Tötet sie! Aber trinkt nicht ihr Blut. Es ist verseucht«, befahl sie den Kriechern.
»Die Geißel der Schatten«, ergänzte der Junge, »sie sind davon befallen.«
Die Kriecher begannen ein fürchterliches Geheul der Enttäuschung und stürzten sich auf Befehl der Königskinder sofort wütend auf die wehrlose Familie. Die Klan hatten keine Chance. Binnen weniger Sardas wurden sie von den Kriechern in Stücke gerissen. Frauen wie Kinder. Den Vater der Familie hatten sie sich für den Schluss aufgehoben, sodass er mit schmerzverzerrtem Gesicht mit ansehen musste, wie seine Frau und die Kinder bestialisch abgeschlachtet wurden. Bis er selbst den aggressiven Kriechern zum Opfer fiel. Die Kriecher kannten keine Gnade. Sie ließen ihrem Zorn über die entgangene Mahlzeit freien Lauf. Während Renlasol das Geschehen mit zunehmendem Entsetzen beobachtete, trafen sich sein und der Blick des Mädchens. Sie hatte ihn bemerkt, bleckte ihre Zähne, leckte sich lasziv über die Lippen und lächelte ihm zu.
»Sieh an, ein neugieriger Beobachter«, sagte sie plötzlich an Renlasol gewandt, ohne ihre Lippen zu bewegen.
Die Königskinder mussten über eine ungewöhnliche Fähigkeit verfügen, denn wiederum hatte das Mädchen lediglich in Renlasols Gedanken gesprochen. Doch der Knappe konnte ihre Stimme überdeutlich hören. Sie besaß etwas, was ihn faszinierte und zugleich abstieß.
»Sie spricht zu mir«, wandte er sich an seine Gefährten, ohne die Augen von der gespenstischen Ansammlung der Bluttrinker abzuwenden.
»Geht sofort vom Fenster weg«, ordnete Zachykaheira in barschem Tonfall an.
Die Bluttrinkerin jedoch hielt den Blick des Knappen fest. Er war nicht in der Lage, sich aus eigener Kraft von ihr zu befreien. Renlasol war wie gebannt und es war ihm, als müsse er jeden Moment aus dem Fenster klettern und zu ihr gehen.
Zachykaheira sprang auf und warf dabei den Stuhl um, auf welchem er gesessen hatte. »Verdammt, hört Ihr nicht, was ich sage?«, schrie der Letztgänger, noch während er zu Renlasol ans Fenster hastete. »Sie prägt sich Euer Gesicht ein, liest Eure Gedanken und setzt sich in Eurem Kopf fest. Gebt ihr keine Gelegenheit dazu, sonst wird sie Euch finden, wo immer Ihr Euch in Zukunft aufhalten werdet. Ihr bringt uns alle in große Gefahr.«
»Komm«, flüsterte das Mädchen lockend, »komm zu mir. Du bist mein. Komm und ich zeige dir die Schönheit der Nacht.«
Mit einem Winken deutete sie Renlasol an, dass er das Fenster öffnen und ihr folgen solle. Ihre Bewegungen
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