Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Kryson 02 - Diener des dunklen Hirten.epub

Titel: Kryson 02 - Diener des dunklen Hirten.epub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Rümmelein
Vom Netzwerk:
seltener zusammentrat und alle fünf Sonnenwenden neu gewählt wurde. Der äußere Rat beriet meist nur in Notfällen. Er setzte sich aus den neun festen Mitgliedern des inneren Rates und fünfzehn weiteren Naiki zusammen. Der Bericht des Waldläufers schien zwar wichtig zu sein, aber er stellte nach der Einschätzung der Ratsmitglieder keine unmittelbare Bedrohung für die Siedlung dar. Sie hatten es daher in dieser Nacht bei der Einberufung des ständigen inneren Rates belassen.
    Taderijmon öffnete die großen Flügeltüren des Eingangs, damit sie eintreten konnten. Sie durchschritten den großen Saal mit sechzig Schritten, stiegen an dessen Ende eine Sprossenleiter empor, durchquerten einen spärlich eingerichteten Vorraum und gingen sofort in den Versammlungsraum des inneren Rates, der sich in einem der beiden Türme befand. Neun Holzstühle mit hohen Lehnen standen um einen massiven, grob behauenen Steintisch. Jeder Stuhl wies unterschiedliche Schnitzereien auf und war auf der Sitzfläche mit einem ausgepolsterten Lederbezug versehen. Baijosto steuerte zielsicher auf den Stuhl zu, der eine wilde Jagdszene zeigte, in der drei Naiki mit Speeren einen großen Hirsch mit einem außerordentlich mächtigen Geweih erlegten. Die wuchtig geschwungenen Armlehnen seines Stuhles mündeten in Eulenköpfe. Taderijmons Stuhl stand gleich neben dem seines Bruders. Ein Naiki kämpfte auf der Schnitzarbeit seines Stuhles gegen zwei schwer bewaffnete Chimärenkrieger. Einen der beiden Chimären hatte der Naiki bereits in die Knie gezwungen. Das Ende seiner Armlehnen bildeten jeweils die hölzernen, spitz zulaufenden Köpfe eines Ufirra.
    Die anderen Ratsmitglieder saßen schweigend in ihren Stühlen und betrachteten die Neuankömmlinge aufmerksam. Der Versammlungsraum war nur schwach mit Kerzen beleuchtet, die hinter den Stühlen an den Wänden angebracht waren, und von einem Kerzenständer, der neun Kerzen hielt und mitten auf dem Tisch vor den Ratsmitgliedern stand.
    Eine dem Augenschein nach sehr alte Naiki erhob sich aus ihrem Stuhl. Ihr Rücken war krumm und sie hielt sich in nach vorn gebeugter Haltung an der Tischkante fest. Sie hatte langes, silbrig glänzendes Haar, das ihr bis über die Hüfte fiel. Ein schlichtes graues Wollgewand, das um die Hüfte mit einer geflochtenen Schnur zusammengehalten wurde, war alles, was sie trug. Ihre Augen schimmerten trübe im Kerzenschein und waren von einem grauen Schleier überzogen. Sie war blind.
    »Nun …«, fing sie mit brüchiger Stimme an zu reden, »…was gibt es Wichtiges, das die Zusammenkunft des Rates mitten in der Nacht erforderlich macht und mir meinen wohlverdienten Schlaf raubt?«
    Baijosto stand ebenfalls auf, bevor er das Wort ergriff und an den Rat richtete. Er kannte Metaha gut. Sie war eine weise Frau. Niemand wusste genau, wie alt sie tatsächlich war. Sie schien schon immer da gewesen zu sein. Außer ihrem krummen Rücken und der blinden Augen erfreute sie sich bester Gesundheit. Dennoch konnte sie sich mitunter herrisch, hart und ausgesprochen stur zeigen. Hatte sie sich einmal eine Meinung gebildet und für etwas entschieden, war es sehr schwer, sie wieder umzustimmen oder vom Gegenteil zu überzeugen. Ihr Wort war Gesetz bei den Naiki und die meisten anderen Ratsmitglieder folgten ihr – meistens. Es war jedenfalls nicht gut, sie zu verärgern.
    »Verzeiht, ehrwürdige Metaha und Ihr anderen ehrenwerten Mitglieder des inneren Rates«, Baijosto wählte bewusst die förmliche Anrede, die ihm ein verschmitztes Lächeln seines Bruders einbrachte, »ich will Euch nicht lange aufhalten und gleich zur Sache kommen. Auf meiner Jagd sah ich eine Gruppe Rachuren, es waren überwiegend Chimärenkrieger, die Sklavinnen der Klan mit sich führten.«
    »Das haben sie in den vergangenen Sonnenwenden fast jeden Tag getan. Ich sehe nichts, was daran wichtig sein könnte. Dann kann ich gleich wieder in mein warmes Bett gehen. Am besten, ich wäre gleich dringeblieben«, erwiderte Metaha.
    Baijosto hatte plötzlich das Gefühl, sie würde ihn mit ihren blinden Augen streng mustern, um seine Worte und seine Mimik zu ergründen, bis er ihre Anwesenheit in seinem Kopf spürte. Sie versucht meine Gedanken zu lesen, dachte er.
    »Wartet, wartet … ich bin noch nicht fertig. Und ich bitte dich, Metaha, verschwinde aus meinem Kopf. Das ist nicht nett. Du solltest deine besonderen Fähigkeiten nicht an den Ratsmitgliedern ausprobieren und schon gar nicht innerhalb unserer

Weitere Kostenlose Bücher