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Kryson 03 - Zeit der Dämmerung

Titel: Kryson 03 - Zeit der Dämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Rümmelein
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Intelligenz lernte er sie als triebhaft und primitiv kennen. Wenn sie nicht jagten, fraßen oder sich paarten, stritten sich die männlichen Mitglieder des Rudels meist um die stärksten Weibchen und trugen Kämpfe untereinander aus. Baijosto hatte rasch festgestellt, dass es nicht darum ging, die Kräfte untereinander nur spielerisch zu messen oder den Kampf zu üben, sondern um den jeweiligen Rang innerhalb des Rudels. Dieser Rang bestimmte letztlich, welcher Baumwolf zuerst fressen und sich mit einem Weibchen paaren durfte. Die Kämpfe unter den Baumwölfen waren hart und endeten oft tödlich. Hin und wieder wagten sich besonders forsche Männchen daran, sogar den Krolak herauszufordern und ihm seinen Rang streitig zu machen. Anfangs hatte sich Baijosto nicht darauf einlassen wollen, aber die Gegner waren aggressiv, ließen nicht locker und griffen ihn schließlich an. Er musste sich verteidigen und töten, wenn er unter den Baumwölfen überleben wollte. So hatte er bereits drei seiner Kontrahenten im Kampf getötet und ihnen die Kehlen herausgerissen. Sich anschließend mit dem stärksten Weibchen des Rudels zu paaren, hatte er allerdings abgelehnt. Gewiss, er hatte die Raubtiere des Öfteren dabei beobachtet und konnte nicht abstreiten, dass ihn manch prächtiges Weibchen zuweilen erregte, zumindest solange er als Krolak durch die Wälder zog. Aber diese Vorstellung belastete ihn. In der Gestalt des Naiki war er angewidert. Niemals wollte er sich der Triebhaftigkeit eines Baumwolfs hingeben. Das war ausgeschlossen. Er war ein Naiki und kein Räuber. Andererseits wusste er nicht, ob ihn die Baumwölfe auf Dauer als Anführer akzeptierten, wenn er sich nicht zumindest mit dem ersten Weibchen des Rudels paarte.
    Sie hatte gegrollt und ihn mit gefletschten Zähnen angeknurrt, als er ihre Annäherungsversuche barsch von sich gewiesen und ihr einen Hieb mit der Pranke versetzt hatte, um ihr zu zeigen, dass er ihre Nähe nicht duldete. Die übrigen Baumwölfe hatten mit Spannung zugesehen und ihm das Verhalten als Schwäche angelastet. Er hatte Tage gebraucht, um sich den Respekt des Rudels wieder zu verdienen. Sollte er noch einmal in eine solche Verlegenheit kommen, was sehr wahrscheinlich war, musste er sich etwas Besseres einfallen lassen. Vielleicht wäre es ihm möglich, die Paarung vorzutäuschen, sodass die Mitglieder des Rudels nichts merkten. Wie er dies anstellen wollte, war ihm allerdings nicht klar. Vor allem machte er sich Sorgen über die Reaktion des ersten Weibchens, wenn sie die Täuschung bemerken sollte. Das Leben im Rudel war nicht leicht für den Naiki-Jäger. Er beobachtete an sich selbst, dass sich sein Geist und seine Wahrnehmung durch das ständige Zusammensein mit den Baumwölfen veränderten. An manchen Tagen glaubte er, dass er bereits wie ein Baumwolf dachte und handelte.
    Je länger Baijosto in der Gestalt des Krolak verweilte, desto schwerer fiel es ihm, sich in seine ursprüngliche Gestalt des Waldläufers zu verwandeln. Und er sehnte sich sein altes Leben zurück. Manchmal träumte er davon, wie er mit Taderijmon und Freunden auf die Jagd gegangen und stets mit fetter Beute aus den Wäldern zurückgekehrt war. Doch die Erinnerungen an jene Zeiten verblassten mit jedem Tag, den er mit dem Rudel verbrachte, mehr. Aber was sollte er dagegen unternehmen?
    Metaha hatte ihn weggeschickt und ihn gebeten, sich von der Siedlung fernzuhalten. Jetzt fürchtete er sich davor, eines Tages als Krolak zu enden. Wenn er sich diesem Leben hingab und sich mit dem Rudel treiben ließ, würde der Fluch früher oder später die Gewalt über Sinne und Körper gewinnen. Das durfte nicht geschehen.
    In den vergangenen Wochen war das Rudel unruhig geworden. Baijosto hatte eine wachsende Unzufriedenheit festgestellt. Von Osten nach Westen über die Baumwipfel und wieder zurück hatten sie weite Strecken ohne nennenswerten Erfolg zurückgelegt. Zwar war ihnen das diffuse Licht der Dämmerung dabei entgegengekommen, aber sie hatten dadurch keinen Vorteil gewonnen, wenn sich die anderen Bewohner des Waldes in der Dunkelheit vor ihren Augen, Ohren und Nasen verborgen hielten. Die Baumwölfe sahen in der Nacht und zur Zeit der Dämmerung besonders gut, besser als bei hellem Tageslicht. Deshalb hatte ihnen die Verdunkelung der Sonne keinerlei Schwierigkeiten bereitet. In anderer Hinsicht litten sie allerdings unter der Zeit der Dämmerung. Es war schwer, ausreichend Beute zu finden, um die knurrenden Mägen des

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