Kryson 03 - Zeit der Dämmerung
weil sie gegen den Willen Elischas nicht darauf bestanden hatten, sie zu ihrem Schutz bewachen zu lassen.
»Wir hätten nicht nachgeben dürfen«, meinte Alvara kopfschüttelnd und voller Resignation, »nur weil sie keine Wachen wollte und sich wie in einem Gefängnis eingesperrt und beobachtet gefühlt hätte. Was wird Madhrab von uns halten, wenn er zurückkehrt und wir ihm nicht einmal sagen können, was geschehen ist? Der Lordmaster wähnt sie sicher im Eispalast.«
»Ich weiß nicht, was Madhrab davon halten wird. Er wird nichts sagen, sondern handeln. Er wird sie suchen und nicht ruhen, bis er einen Hinweis auf ihren Verbleib gefunden hat. Einen Vorwurf wird er uns nicht machen. Zu oft schon hat er Ähnliches am eigenen Leib erfahren. Und als Einzelgänger wird er uns an seiner Verzweiflung nicht teilhaben lassen. Aber ich verstehe Elischas Entscheidung«, antwortete Corusal. »Sie wollte sich frei bewegen können, sich als Gast in unserem Hause und nicht wie eine Gefangene fühlen. Madhrab hätte ihre Entscheidung respektiert, also werden wir uns auch damit abfinden müssen. Uns würde eine Überwachung auch nicht gefallen, wenn wir unter Freunden in einem anderen Haus wären.«
»Mag sein, aber sie und wir wussten, dass sie auf ihrer Flucht nach Eisbergen verfolgt worden war. Wir waren gegen die Gefahr nicht gewappnet.«
»Du sagst es! Sollten sich allerdings unsere Vermutungen bewahrheiten, dass Elischa entführt oder gar ermordet wurde, bereitet mir der Umstand viel größere Sorgen, dass jemand unbemerkt in den Eispalast eindringen konnte. Ich fühle mich plötzlich in meinen eigenen vier Wänden nicht mehr sicher. Das hätte niemals geschehen dürfen«, stellte Corusal fest.
»Vielleicht solltest du Baylhard bitten, dir wieder als Leibwächter zur Seite zu stehen«, schlug die Fürstin vor. »Ich bin inzwischen davon überzeugt, dass er der Richtige für diese Aufgabe ist.«
»Das kommt nicht infrage«, lehnte der Fürst ab, »Tomal muss geschützt werden. Alles andere ist nebensächlich.«
»Aber er hat jetzt diesen Sapius, der auf ihn achten kann.« Alvara war eigentlich davon überzeugt, dass Tomal als Lesvaraq keinen Schutz mehr brauchte.
»Würdest du einem Magier das Leben deines Sohnes anvertrauen?«, fragte Corusal seine Gattin.
»Natürlich nicht. Aber Tomal ist … anders.«
»Ich weiß. Dennoch sollten wir warten. Sapius ist noch nicht lange in Eisbergen. Ich will ihn beobachten und sehen, ob er sich bewährt oder eine Gefahr bedeutet. Letztlich hat Tomal sich für ihn entschieden, und wir haben keine andere Wahl, als seinen Willen anzunehmen.«
»Ach … Corusal«, seufzte Alvara, »wo soll das alles hinführen? Denkst du, es war richtig, dieses Kind als unser eigenes anzunehmen? Er wird dir eines Tages nachfolgen und die Führung über das Haus Alchovi übernehmen.«
»Wir haben es für Elischa und Madhrab getan«, meinte der Fürst. »Für sie war es wichtig, und uns half es, eine lange währende Belastung und ein Problem zu überwinden.«
»Das stimmt. Aber nun weilen weder Elischa noch Madhrab unter uns. Sollten wir die Frage nicht noch einmal grundsätzlich überdenken? Sapius könnte den Jungen mit sich nehmen.«
Der Fürst dachte lange nach, bevor er seiner Gattin antwortete. Die Zweifel über die nicht wieder rückgängig zu machende Entscheidung nagten tief an ihm. Ein Fürst brauchte ein Gefühl für die Verantwortung und für seine Untertanen. Tomals Entwicklung in dieser Hinsicht bereitete nicht nur ihm Sorgen. Der Junge interessierte sich wenig für die Geschäfte des Fürsten, und die Klan in Eisbergen oder am Hofe waren für ihn nichts anderes als Lämmer, die für eine größere Sache beliebig eingesetzt und geopfert werden konnten. Sicher wäre es übertrieben gewesen, das oft trotzig wirkende Kind als rücksichtslos zu bezeichnen. Aber viel fehlte nach der Meinung des Fürsten nicht mehr dazu. Tomal blickte nie zurück. Es kümmerte ihn nicht, wie gut oder schlecht ein Wesen oder dessen Handeln einst war. Nur das Hier und Jetzt sah er und berücksichtigte nur wenig mehr bei seiner Einschätzung eines Klans. Stets sah er nur sich selbst, die nächsten Schritte und den eigenen Vorteil.
»Nein, Alvara«, sagte Corusal nachdenklich, »wir wissen zu wenig über die Bedeutung der Lesvaraq und ihre Stärken. Sie sind die einzigen Hoffnungsträger von Kryson, die in der Lage sind, das Gleichgewicht zwischen den Kräften wiederherzustellen und zu bewahren. Entziehen wir
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