Kryson 03 - Zeit der Dämmerung
ihm den Schutz und schicken ihn fort und er scheitert letztlich am dunklen Hirten, machen wir uns schuldig am Einzug des Chaos in unser Land. Die Dunkelheit ist zu weit fortgeschritten, um jetzt noch umkehren zu können. Das Gleichgewicht wankt und die Klanlande liegen bereits im Sterben. Wie lange wird es noch dauern, bis uns der letzte Todesstoß von den Saijkalrae versetzt wird. Unser Beitrag zum Überleben unserer Welt ist vergleichsweise gering. Aber wir müssen ihn erbringen, selbst wenn es uns schwerfallen sollte.«
Alvara pflichtete ihrem Gatten mit einem Nicken bei. Sie hatte verstanden, dass sie keine andere Wahl hatten. Das Risiko, den Jungen an den dunklen Hirten zu verlieren, war zu groß. Und sie musste sich eingestehen, dass sie Elischa wohl nicht wiedersehen würde. Der Verlust einer engen, ihr sehr ans Herz gewachsenen Freundin schmerzte sie weit mehr als der Gedanke, ihren Sohn aufgeben zu müssen oder an Sapius zu verlieren. Sie hatte erkannt, dass sie Tomal niemals so lieben würde, wie sie sich dies ausgemalt hatte und einem eigenen Kind gegenüber versucht hätte. Am Ende war ihr der Lesvaraq doch gleichgültig.
Misstrauisch hatte der Praister Henro in den vergangenen Tagen die Übungen des Lesvaraq mit dem Neuankömmling beobachtet. Auf seinem Lager gebettet gingen ihm die Eindrücke durch den Kopf. Sein erster, etwas vorschnell gefasster Entschluss stand fest, wankte jedoch noch. Es musste ihm irgendwie gelingen, Thezael von den neuesten Entwicklungen in Eisbergen unbemerkt Bericht zu erstatten. Dieser Sapius war ein Fall für den obersten Praister, für den dieser sich brennend interessieren musste. Gewiss hätten sie den Magier in ihren Kammern zum Reden gebracht und ihn nach angemessener Behandlung von seiner magischen Begabung befreit. Sorge bereitete Henro der Sohn des Fürsten. Als er sich damals auf Geheiß Thezaels auf den Weg nach Eisbergen gemacht hatte, konnte niemand voraussehen, dass Alchovi jemals einen Sohn haben würde. Folgte er den Anweisungen des obersten Praisters und tötete den Fürsten, würde es am Ende einen Nachfolger geben, den er für höchst gefährlich und vor allem unkontrollierbar hielt. Am Ende gefährlicher als den Fürsten selbst. Ein Fürstensohn mit einer ganz außergewöhnlichen magischen Begabung, den alle nur als den neugeborenen Lesvaraq bezeichneten und ihn geradezu vergötterten, war in seinen Augen ein einziger Frevel gegen die Kojos.
Dennoch wagte Henro den entscheidenden Schritt noch nicht. Gelegenheiten hatten sich ihm in den vergangenen Monden gleich mehrfach geboten. Fürst Alchovi legte seinem Dafürhalten nach eine geradezu fahrlässige Nachlässigkeit an den Tag, was seine eigene Sicherheit anging. Es wäre ein Leichtes gewesen, ihm Gift zu verabreichen oder ihm gar einen Dolch in den Rücken zu stoßen. Letzteres wäre natürlich viel zu auffällig gewesen. Aber er hatte abgewartet und sich nicht zu einem Mordanschlag durchringen können. Jedenfalls nicht, ohne noch einmal vorher die Meinung des obersten Praisters über die jüngsten Ereignisse einzuholen. Angesichts des heranwachsenden Nachfolgers war es womöglich nicht mehr ohne Weiteres klug, dem Fürsten den Weg zu den Schatten zu bereiten. Darüber hinaus war die Gefahr, als Attentäter entlarvt zu werden, seit der Ankunft des Magiers gestiegen. Er konnte Sapius nicht einschätzen. War er eine Gefahr? Konnte er seine Gedanken und die Absichten der Praister erkennen? Aber der Magier machte auf ihn nicht den Eindruck, als ob dieser nicht wüsste, wie er mit seinen Fähigkeiten umzugehen hatte, oder als sei er ein Hochstapler, der nur vorgab, begabt zu sein, um in die Nähe von Tomal zu gelangen. Sapius wohnte weit mehr als das inne, das konnte Henro spüren. Außerdem ärgerte es ihn, dass er ein Stück seines Vertrauens durch das gemeinsame Gespräch beim Fürsten eingebüßt hatte, welches er sich über den Winter mühsam mit allerlei Überredungskünsten und großzügigen Spenden aus dem Vermögen der Praister erarbeitet hatte. Dies hätte nicht geschehen dürfen und verunsicherte ihn. Wie sollte er sich also sicher sein, ob der geplante Anschlag seitens Thezael unter diesen Umständen noch gewollt war? Andererseits war es höchst gefährlich, Informationen auszutauschen. Boten konnten abgefangen werden. Wem sollte Henro eine solche Frage anvertrauen? Vögel standen nicht zur Verfügung. Die Bestände hatten sich nach der Katastrophe und dem Massensterben noch nicht wieder in
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