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Kryson 03 - Zeit der Dämmerung

Titel: Kryson 03 - Zeit der Dämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Rümmelein
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unter seinen Füßen brodelte, als ob sich jeden Augenblick die Erde unter ihm öffnete oder ein Vulkan ausbrechen wollte. Er hörte das leise Flüstern der Bäume, die wütend waren und sich gegen ihn und seinen Bruder verschworen. Es kam ihm so vor, als könnte er jedes ihrer rauschenden Worte verstehen. Der uralte Wald war ihr Feind. Überdeutlich nahm der weiße Schäfer die Zeichen und Warnungen wahr, die sich mit jedem Schritt, dem er sich dem Herzen des Waldes näherte, zuspitzten. Saijkal hatte keinen Zweifel. Dieses Gebiet gehörte den Naiki. Hier herrschten seit ihrer Vertreibung aus ihren Stammgebieten die Altvorderen. Ihre Magie war überall, hing in den Bäumen und im Waldboden. Die Wurzeln waren durchtränkt davon. Er wunderte sich, dass der dunkle Hirte die Gefahr nicht wahrgenommen hatte. Oder hatte Saijrae sie doch gespürt und einfach ignoriert, um an den Lesvaraq heranzukommen? Der weiße Schäfer verwarf den Gedanken wieder. Nein, der Bruder mochte zuweilen unbeherrscht und besonders grausam sein, aber er würde sich nicht unbedacht in eine solche Gefahr begeben. Es musste daran liegen, dass Saijrae die Eigenschaft fehlte, die den weißen Schäfer insbesondere auszeichnete: die Wahrnehmung lauernder Gefahr und fremder, freier Magie. Es war in seinen Augen eine Schande, dass es ihm und dem dunklen Hirten in all der Zeit nicht gelungen war, diese an sich zu binden und den Beschränkungen der Saijkalrae zu unterwerfen. Sie war in ihrem ursprünglichen wilden Zustand viel zu gefährlich und von einem Magier nicht zu beherrschen. Welche Auswüchse und Folgen die Anwendung freier Magie nach sich zog, vermochte niemand zu sagen. Die Absicht der Saijkalrae war es, jegliche Magie und die damit einhergehende Begabung auserwählter Wesen bewusst zu kontrollieren. Saijkal war der Ansicht, dass eine entfesselte Magie, ob sie nun den Praistern zu eigen war oder von den Altvorderen oder gar freien Magiern angewandt wurde, zu einer empfindlichen Störung des Gleichgewichtes und nachhaltigen, nicht vorhersehbaren Folgen und vor allen Dingen keineswegs erstrebenswerten Veränderungen für Kryson führen konnte. Der Weg durch die zunehmend feindseliger werdende Umgebung des Faraghad-Waldes bestätigte ihn in seiner Meinung. Sie mussten sich vorsehen und umsichtig vorgehen. Den Zorn der Natur zu erregen lag nicht in seiner Absicht, zumal er wusste, wie gewaltig und zerstörerisch diese sein konnte.
    Saijrae war zu weit gegangen, nun lag es an ihm, den Bruder auf den richtigen Pfad zurückzuführen. Aber zuvor musste es ihm gelingen, diesen aus der Gefahr heraus- und in die Sicherheit der heiligen Hallen zurückzubringen.
    Ein würgendes Geräusch unweit hinter ihm ließ ihn aus den Gedanken aufschrecken. Er drehte sich nach den Saijkalsan um und sah gerade noch, wie Raalahard von einer Schlingpflanze umwickelt in die Höhe der Bäume gezogen wurde, während Enymon verzweifelt versuchte, seinen Gefährten festzuhalten und aus den sich stetig zuziehenden Fesseln zu lösen. Dabei musste er aufpassen, nicht selbst von einer der durch die Lüfte peitschenden Lianen erwischt zu werden. Der weiße Schäfer eilte den Saijkalsan zu Hilfe und streckte dabei die Hand aus, als wollte er einen Stein werfen. Sattdessen murmelte er den Saijkalsan unbekannte Worte. Sofort löste sich die Umwickelung und gab den Saijkalsan frei, der unsanft zu Boden stürzte. Die Lianen zogen sich in die Baumwipfel zurück.
    »Könnt ihr nicht aufpassen?«, ärgerte sich der weiße Schäfer. »Dies ist kein Ausflug, den wir zu eurem Vergnügen machen. Wir sind an diesem Ort nicht willkommen. Es ist, als hätten die Naiki den Wald verzaubert und jedem unerwünschten Eindringling tödliche Fallen gestellt. Der Faraghad schützt die Siedlung der Waldläufer.«
    »Verzeiht, Meister«, entschuldigte sich Raalahard, »wir hatten Mühe, mit Euch Schritt zu halten, und ich übersah die Attacke aus der Luft. Die Bäume und Lianen sind heimtückisch. Wer weiß, was uns im Herzen des Waldes droht.«
    »Tölpel!«, schalt der weiße Schäfer Raalahard. »Ein weiteres Mal helfe ich dir nicht. Setze deinen Verstand ein und halte die Augen offen, sonst wird dieser Spaziergang durch den Wald rasch dein Ende sein.«
    Der weiße Schäfer schnupperte in die Luft.
    »Riecht ihr das auch?«, fragte er.
    »Was denn?«, antwortete Enymon.
    »Ich rieche nur modrigen, erdigen Wald«, meinte Raalahard.
    »Mit welch abgestumpften Sinnen wurdet ihr beide nur ausgestattet?«,

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