Kryson 03 - Zeit der Dämmerung
Sturm der Dunkelheit heraufbeschwor. Sie hatte damit gerechnet, dass er sich im Verlaufe ihres Duells mit allen Mitteln zur Wehr setzen würde, konnte aber im Augenblick nichts dagegen unternehmen. In der äußersten Not ließ Saijrae den Sturm um seinen eigenen Körper toben, biss dabei die Zähne zusammen, während die starken Winde an ihm zerrten und ihn zu zerreißen drohten.
Er schont sich nicht und geht ein hohes Risiko ein, sich zu befreien, dachte Metaha.
Die Überlegungen Saijraes gingen auf. Der Sturm entwurzelte die Sprösslinge aus seinem Leib und riss sie, tiefe Wunden hinterlassend, mit sich fort. Sobald er von den Schmarotzern befreit war, lenkte Saijrae den Sturm von sich ab und dirigierte diesen auf Metaha. Die Naikihexe wurde von den Beinen gerissen, als sie der wütende Wind unvorbereitet erwischte und mit Wucht gegen einen hinter ihr stehenden Baumstamm schleuderte. Der Aufprall brach ihr einige Wirbel im Rücken und ließ sie gelähmt zu Boden sinken.
Schwer keuchend, verwundet und mit vor Schmerz verzerrtem Gesicht erhob sich Saijrae. Metaha konnte seinen Zorn fühlen und an seiner zitternden Stimme hören.
»Ich vernichte Euch, den Lesvaraq und Euer gesamtes Volk«, schrie der dunkle Hirte, »Ihr seid zu weit gegangen!«
Metaha lächelte zufrieden, was den dunklen Hirten noch mehr in Rage versetzte. Sie hatte Ihr Bestes getan und ihm schwer zugesetzt. Diesen Kampf gegen eine Naiki würde er gewiss nie wieder vergessen. Das Wichtigste war, dass ihr Volk dem Angriff Saijraes entkommen war. Doch nun war es vorbei, sie hatte keine Kraft mehr, sich zu wehren, und musste Ell und ihren geliebten Wald verlassen. Den Sieg über eine Naiki wollte sie dem dunklen Hirten jedoch nicht gönnen.
»Genya Wallavar«, flüsterte die Naiki-Hexe.
Die letzten Worte Metahas waren so leise gesprochen, dass Saijrae diese nicht wahrnehmen konnte. Aber der Wald Faraghad hatte sie verstanden. Aus dem Boden stachen plötzlich Wurzeln hervor, deren Spitzen wie Dornen waren. Zahlreich durchbohrten sie den Leib der Naikihexe, und als die Wurzeln ihr Herz erreicht hatten, bäumte sich ihr Körper noch ein letztes Mal zuckend auf, bevor sie endgültig in das Land der Tränen aufbrach.
Saijkal traf gerade zur rechten Zeit ein und sah, wie sich sein Bruder schreiend am Waldboden hin und her warf und versuchte, den spitzen, ihm nach dem Leben trachtenden Wurzeln auszuweichen. Der dunkle Hirte hatte Metaha bereits besiegt gesehen und war auf einen weiteren Einsatz ihrer Magie nicht vorbereitet gewesen, was ihn erneut schmerzlich strafte. Während er entsetzt das Ende der Naikihexe mit angesehen hatte, die sich ihm einfach gegen seinen Willen entzogen hatte, hatten sich die Wurzeln in seine Füße gebohrt und ihn zu Boden geworfen.
Der magische Ruf des weißen Schäfers brauste wie Donnerhall durch den Wald und brachte die Wurzeln dazu, sich in den Boden zurückzuziehen.
Saijkal stand hinter seinem Bruder und blickte diesen mitleidig an.
»Wärst du nicht so schwer verletzt, müsste ich dir eine ordentliche Tracht Prügel mit einem Stab des Farghlafat verpassen«, brummte der weiße Schäfer.
Erschrocken blickte der dunkle Hirte auf und sah die weißen Augen seines Bruders schimmern. Hinter Saijkal tauchten Enymon und Raalahard außer Atem auf.
»Saijkal, Bruder! Dann ist es also wahr und meine Sinne haben mich nicht getäuscht. Quadalkar ist tot und der Bann des ewigen Schlafes gebrochen«, flötete der dunkle Hirte, »und du hast die einäugigen Saijkalsan mitgebracht. Wie schön.«
»So ist es«, meinte der weiße Schäfer, »ich bin wach und dein Liebling ist tot.«
»Ich bin so froh, dich zu sehen, Saijkal.«
»Du lügst Bruder«, entgegnete Saijkal. »Du wolltest die Macht alleine ausüben, ohne mich, so wie du schon einmal über deinen Bruder herrschen wolltest. Am liebsten würdest du mich weiter im ewigen Schlaf sehen. Mein Schlaf gab dir Zeit, die Dämmerung heraufzubeschwören und das Gleichgewicht zugunsten der Dunkelheit zu verschieben. Ein gefährliches, gewagtes Spiel, das du alleine nicht beherrschen kannst. Ist dir das denn immer noch nicht klar? Du brauchst mich. Wir brauchen uns, wenn wir überleben und siegen wollen. Deine Machtgier und die Besessenheit der Nacht haben die Saijkalrae geschwächt. Feinde hast du geschaffen, die unsere Freunde sein sollten. Das Gleichgewicht gerät aus den Fugen, das Licht liegt darnieder, aber das unumstößliche Gesetz der Macht schafft sich ein Gegengewicht zur
Weitere Kostenlose Bücher