Kryson 03 - Zeit der Dämmerung
waren mit den Überschüssen regelmäßig versorgt worden. Doch jetzt lag das Land brach, da der Krieg gegen die Rachuren viele Dörfer, Siedlungen und Gehöfte zerstört hatte. Die anschließende Seuche hatte ihr Übriges dazu beigetragen, dass die überlebenden Klan zu jener Zeit gemeinsam mit ihren Toten in Geisterstädten und leer gefegten Landstrichen leben mussten. Die Zeit der Dämmerung hatte einen Neuanfang gnadenlos unterbunden. Kaum ein Klan wagte sich noch vor das eigene Haus, um die Felder zu bestellen oder die tägliche Arbeit zu verrichten. Was hatte das auch für einen Sinn? Getreide und andere Pflanzen würden ohne das Licht kaum gedeihen. Das Vieh, soweit es nicht ohnehin durch die Seuche dahingerafft worden war, lieferte auf Dauer kein Fleisch und keine Milch. Eine schwere Hungersnot zeichnete das Antlitz des Landes, von der auch das Fürstentum Fallwas nicht verschont geblieben war. Wie durch ein Wunder waren die Rachuren allerdings während ihres Eroberungsfeldzuges nur an den äußersten westlichen Grenzen des Fallwas-Gebietes vorbeigezogen, sodass sich das Fürstenhaus glücklich schätzen durfte, weitestgehend unbeschadet aus den Übergriffen hervorgegangen zu sein.
Im Gegensatz zu den architektonischen Wunderwerken in Eisbergen und Tut-El-Baya war der Sitz der Fallwas schlicht gebaut worden. Ein Bauwerk für die Ewigkeit hatte der Fürst sein aus massiven Steinen erbautes Stammhaus voller Stolz genannt. Die Trutzburg war nicht über alle Maßen groß, aber dennoch wirkte sie erstaunlich wehrhaft und beeindruckend. Umbaut von breiten wie hohen Steinmauern fielen die acht rundherum verteilten hohen Wehrtürme besonders auf. Am Klippenrand standen zwei Türme und dem Landesinneren zugewandt weitere vier Türme. Jeweils ein zusätzlicher Turm war zur Absicherung gen Norden und der letzte in seiner Verteidigung gen Süden ausgerichtet. Die vier Türme im Inneren der Trutzburg wirkten wiederum ungewöhnlich hoch und schlank. Im Vergleich zu dem sonst eher klobigen Erscheinungsbild der Burg waren sie als geradezu filigran zu bezeichnen. Tatsächlich aber waren auch sie standhaft und solide aus massivem Stein gebaut. Sie überragten die äußeren Wehrtürme deutlich an Höhe. Bei einem Spaziergang über die Zinnen eines der Innentürme hatte man bei klaren Sichtverhältnissen in alle Richtungen einen wundervollen Blick über die gesamten Ländereien der Fallwas. Interessant hierbei war – und darin unterschied sich das Stammhaus der Fallwas von anderen Fürstenhäusern –, dass die Trutzburg, nicht wie sonst durchaus üblich, Bestandteil einer Stadt oder eines Dorfes war. Nicht einmal ein einziges kleines Fischerdorf grenzte an die Mauern der Fallwas-Burg. Vielleicht hatte es daran gelegen, dass sich Fürst Fallwas die meiste Zeit in Tut-El-Baya am Sitz des Regenten aufgehalten hatte. Ohne seine Unterstützung hatte sich die Burg nicht entwickeln können, wie dies bei anderen Fürstenhäusern der Fall war.
Tapfer hielt die Trutzburg dem Gewittersturm stand, wie sie es schon seit langer Zeit bei jedem Sturm zuvor getan hatte, und mochte er noch so heftig gewesen sein. Sie war älter als der Kristallpalast in Tut-El-Baya und von den direkten Vorfahren Chromlions erdacht, geplant und schließlich in langer Sonnenwenden Arbeit errichtet worden.
Der Sturm warf das nur leicht beladene Handelsschiff wie ein hölzernes Spielzeug nach Belieben hin und her. Das Schiff war schnell und hatte nur geringen Tiefgang. An der Spitze zierte eine aus Holz geschnitzte Galionsfigur in Form eines großen Raubfisches mit offenem Maul und spitzen Zähnen das Antlitz der Gayaha , wie das Schiff von den Händlern genannt wurde. Der Name bedeutete nichts anderes als Schmuggler. Im Grunde war dies kein passender Name für das durchaus prächtige Schiff.
Die Besatzung hatte die Segel zwar längst eingeholt, um den unregelmäßig auftretenden Windböen möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten und die Masten nicht zu gefährden. Aber sie hatten dennoch größte Mühe, das Schiff auf Kurs zu halten. Als wäre es nur ein Stück Treibholz, wurde es von den hohen Wellen angehoben, nur um im nächsten Moment wieder in einem Wellental, von allen Seiten umringt von Bergen an Wasser, zu versinken.
Skipper und Steuermann hatten sich mit Seilen an Besanmast und Ruder festgebunden, um nicht von Wind und Wasser über Bord gerissen zu werden und in den Fluten zu versinken. Mit heiserer Stimme schrie der Kapitän seine Befehle über
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