Kryson 03 - Zeit der Dämmerung
stürzen können, aber die Vorstellung, zu ertrinken oder von einem Moldawar gefressen zu werden, hatte sie von dieser Idee abgehalten. Insgeheim hoffte sie, dass Madhrab bald von ihrer Entführung erfahren und sie befreien würde. Er musste kommen. Schließlich liebten sie sich und er hatte es ihr versprochen.
Oh, wie lange noch? Ich sterbe! Ist es denn nicht bald vorbei? An etwas anderes konnte die Orna im Augenblick nicht denken.
Das Gefäß grinste sie unverschämt an. Er sah, wie übel es ihr ging, schien aber selbst immun gegen jegliche Übelkeitsanfälle und freute sich über den Schaden der anderen. Ihr einziger Trost in diesen Horas aus Todesangst und schwerster Seekrankheit war, dass es dem Bewahrer Lordmaster Chromlion nicht besser erging.
Hatte er Elischa am Anfang ihrer Reise keine Sardas in Ruhe gelassen, sie gedemütigt und beschuldigt, wo immer er konnte, ihr gedroht und das ihr blühende Schicksal in den schrecklichsten Bildern ausgemalt, so war er seit Einsetzen des Gewittersturms erschreckend ruhig geworden und zu keinem weiteren Wort in der Lage. Kalter Schweiß stand auf der Stirn Chromlions, das blonde Haar hing ihm nass und wirr in die Stirn, die zitternden Lippen waren blau angelaufen und in den Mundwinkeln hingen Reste der halb verdauten Speisen, die er aus seinem Magen hervorgewürgt hatte, bis nichts mehr außer bitterem, gelbem Gallensaft herauskommen konnte. Der Lordmaster sah totenblass aus, als hätten ihn die Schatten höchstpersönlich gezeichnet.
»Du bist fürwahr ein eigenartiger Bewahrer, Lordmaster Chromlion«, sagte das Gefäß mit einem spöttischen Unterton in der Stimme. »Ich frage mich ernsthaft, wie du so weit kommen konntest. Ein Sturm und das Schaukeln eines Schiffes treiben dir schon den Schweiß auf die Stirn und setzen dich außer Gefecht. Dabei dachte ich, du wärest standhaft, wie es sich für einen Bewahrer gehört.«
»Haltet Euer lästerliches Schandmaul, Schattenmann«, brachte Chromlion mit gebrochener Stimme zwischen zwei Würgeanfällen hervor.
»Schon gut. Aber du verbietest mir kein zweites Mal den Mund. Sollten wir die Reise unbeschadet überstehen, ist die Schuld des hohen Vaters gegenüber deinem Haus getilgt. Ich befreite den Sohn des Fallwas und brachte die heilige Orna zu dir. Vergiss das nicht. Danach werde ich mich einem anderen Bewahrer widmen. Im Gegensatz zu dir dürfte er eine echte Herausforderung sein.«
»Wovon … bei allen Kojos … sprecht Ihr?« stöhnte Chromlion.
»Weißt du es denn nicht? Ich spreche von dem Bewahrer, den du zutiefst bewunderst. Dein Vorbild, das dir stets einen Schritt voraus war«, sagte das Gefäß. »Als Nächstes werde ich mich um Lordmaster Madhrab kümmern. Du wirst sicher nichts dagegen haben, denn am Ende schütze ich dadurch nicht nur das Leben und die Interessen des hohen Vaters, sondern auch die deinen.«
»Ihr wagt es …«, Chromlion spuckte Galle, »… wie kommt Ihr dazu, in meiner Gegenwart diesen Namen im gleichen Atemzug mit Bewunderung auszusprechen. Er ist ein verurteilter Verbrecher, der gefangen genommen und gerichtet werden muss. Das Urteil ersteckt sich auf seine ganze Familie.«
»Ja, er muss gerichtet werden. In diesem Punkt stimme ich dir zu«, meinte das Gefäß, »aber du konntest seiner nicht habhaft werden und bist kläglich gescheitert. Also werde ich diese Aufgabe für den Overlord erledigen.«
»Verdammter Grutt, Ihr werdet genauso scheitern«, mischte sich Elischa plötzlich ein, die bei dem Namen Madhrab hellwach geworden war und für einen kurzen Moment die Übelkeit vergessen hatte, »also lasst ab von dem Versuch.«
»Ich bin nicht irgendwer und schon gar keine Kröte«, antwortete das Gefäß kalt lächelnd, selbstsicher mit einer leicht überheblichen Note. »Boijakmar war so freundlich und teilte seine herausragenden Eigenschaften mit mir, als er mir sein zweites Ich übertrug. Er wird mir nicht entkommen.«
»Das braucht er auch nicht«, zeigte sich Elischa unnachgiebig, »er wird zu Euch kommen und sich Euch in einem offenen Kampf stellen.«
»Ich hatte nicht vor, mich mit ihm im Zweikampf zu messen«, sagte das Gefäß, »das wäre … viel zu … sagen wir, leichtsinnig, denn es gibt keinen Zweifel daran, dass er als Krieger besser ist, als es der hohe Vater je war. Aus dem Verborgenen jedoch in einen Hinterhalt aus den Schatten geraten, dürften meine Fähigkeiten mir zum Vorteil gereichen.«
»Ihr mieses Stück wollt Madhrab feige ermorden?« Elischa klang
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