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Kryson 03 - Zeit der Dämmerung

Titel: Kryson 03 - Zeit der Dämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Rümmelein
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nahm er die lauernde Gefahr wahr. Sie war gierig, ihn zu verschlingen, seine Gedanken in sich aufzunehmen. Aber er konnte sie nicht fassen, sie nicht sehen oder hören.
    »Nichts ist gut«, erwiderte Madhrab verbittert.
    »Lass nicht zu, dass er dich verschlingt. Wehre dich gegen den Herrn der Grube und seine Macht. Er hat dich bereits in seiner Gewalt und stiehlt dein Wissen und deine Erinnerungen. Verschließe deine Gedanken vor ihm, bevor es zu spät ist«, sagte er laut zu sich selbst.
    Madhrab blickte auf, um zu sehen, woher die ihm vertraute Stimme kam. Das konnte nur ein Traum sein. Erstaunt stellte er fest, dass er sich selbst gegenübersaß und in sein eigenes Antlitz starrte, als säße er vor einem großen Spiegel, der als solcher nicht erkennbar war. Der Madhrab, mit dem er das Zwiegespräch suchte, wirkte älter und wies langes graues Haar und einen ebenfalls ergrauten Vollbart auf, der ihm bis zur Brust reichte.
    »Wer bist du?«, wollte Madhrab wissen.
    »Ich bin du und du bist ich. Wir sind eins«, antwortete das Spiegelbild.
    »Ich weiß nicht, was ich tun soll. Hilf mir«, flehte Madhrab, »ich werde verrückt.«
    »Wie soll ich dir helfen, wenn du dir nicht selbst hilfst? Ich bin nicht besser dran«, stellte das Gegenüber mit Bedauern fest.
    »Dann sind wir beide verloren«, meinte Madhrab.
    »Steh auf und kämpfe, wie du es immer getan hast. Ich weiß, dass es einen Weg gibt. Es muss eine Lösung geben«, antwortete der Lordmaster sich selbst.
    Madhrab nahm all seine Kraft zusammen und erhob sich mühsam und ächzend. Seine Beine fühlten sich schwach an und im ersten Moment wankte er gefährlich, drohte sogar zu stürzen. Aber er fing sich und hielt sich gerade, so gut es eben ging. Das Gegenüber war verschwunden und er fand sich stehend wieder inmitten der Grube. Plötzlich sah der Lordmaster klar. Er hatte keinen Zweifel daran, jetzt war er wach. Deutlich wacher als noch zuvor und musste sich vor der trügerischen Stille schützen, durfte nicht zulassen, dass ihn die Trostlosigkeit überwältigte. Sich auf sich selbst konzentrierend leerte er seinen Geist und baute eine innere Blockade auf, die nichts und niemand zu durchdringen vermochte. Er glaubte ein leises Stöhnen und ein enttäuschtes Schreien aus der Entfernung zu vernehmen. Es war das erste Geräusch, das er seit Langem gehört hatte, aber es gab ihm eine Ahnung von der Richtung, die er einschlagen musste.
    Der Bewahrer rannte in den Gang, aus dem er das Stöhnen und Schreien vermutete. Dieses Mal fühlte sich der Weg anders an. Jemand versuchte seine Blockade mit Gewalt zu durchbrechen und in seine Gedanken einzudringen. Madhrab stieß ihn vehement zurück und spürte hitzigen, aufwallenden Zorn, der ihm wie eine Feuerwand entgegenschlug und ihn zu versengen drohte. Er geriet ins Schwitzen, wusste jedoch, dass er auf dem richtigen Weg war und nicht aufgeben durfte.
    Du darfst keine Zeit mehr verlieren , dachte er bei sich und rannte weiter.
    Wie lange er die Barriere aufrechterhalten konnte, vermochte er nicht zu sagen. Die Angriffe wurden heftiger. Noch konnte er den unsichtbaren Feind abwehren. Blinde Wut und Hass trafen ihn, brachten den Lordmaster ins Stolpern.
    Ich muss durchhalten und darf mich nicht von den Gefühlen ablenken lassen, ging es dem Bewahrer durch den Kopf.
    Madhrab hatte nun wenigstens eine leise Ahnung davon, was ein Gedankenschinder war und wie gefährlich diese Kreatur sein konnte. Sein Atem ging fliegend, Lunge und Beine brannten, aber er gab nicht auf. Beinahe hätte er den auf dem Boden vor ihm kauernden Körper eines Mannes übersehen, der ihm den weiteren Weg durch den Gang versperrte. Bei genauerem Hinsehen stellte Madhrab fest, dass dem Mann ein Bein fehlte.
    »Brairac!«, rief Madhrab. »Bei allen Kojos, bist du es?«
    Der Mann hob den Kopf und sah Madhrab mit leeren Augen an. Der Lordmaster war sich sicher, dass es sich um Brairac handeln musste. Auch wenn dieser stark gealtert war, die Gesichtszüge des Freundes waren unverkennbar. Allerdings zeigte Brairac keinerlei Erkennen seinerseits. Sein Mund stand weit offen, gerade so, als wollte er schreien, aber vergessen hatte, wie es ging. Speichel rann aus einem Mundwinkel des Kaptans und tropfte auf den Boden. Jeglicher Verstand schien Brairac abhandengekommen zu sein.
    Madhrab kniete sich nieder und packte den Mann an den Schultern, schüttelte ihn und rief seinen Namen erneut. Schlaff wie eine Puppe ohne eigenen Antrieb ließ sich der Kaptan hin und

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