Kryson 03 - Zeit der Dämmerung
Adern und verursachte einen quälenden Schmerz in seinem Kopf.
»… dieser ist für Elischa und der für Brairac, einer für mich selbst und der letzte … für die verlorene Zeit.«
Der letzte und zugleich längste Eisendorn drang durch die Stirn mitten in den Schädel des Fürsten, riss diesem den Kopf mit einem Ruck nach hinten und nagelte ihn am Tor fest. Augenblicklich hörte das Schreien auf. Das Leben erlosch in den Augen Chromlions. Madhrab stieg von der Leiter und betrachtete sein grausiges Werk. Er horchte in sich hinein, versuchte zu ergründen, was er empfand. Doch da war nichts. Kein Gefühl der Genugtuung. Nichts.
»Rücken wir ab«, befahl Madhrab den Gefährten.
»Wohin willst du uns führen?«, wollte Elischa wissen.
»Ich weiß es nicht«, meinte Madhrab, »lass uns einen Ort suchen, an dem wir unser Leben neu beginnen und gemeinsam ohne Sorge leben können. Vielleicht gibt es einen solchen Platz irgendwo in den Grenzlanden, und wenn wir ihn dort nicht finden sollten, suchen wir weiter. Diese treuen Frauen und Männer werden uns dabei helfen.« Madhrab deutete auf die immer noch bewusstlose Nihara. »Deine Tochter nehmen wir mit. Ihre Wunden sind nicht allzu schwer. Sie wird sich unter deinen pflegenden Händen rasch erholen.«
Die Tsairu neigte sich bereits dem Ende zu und die Gegend um die Burg erstrahlte im hellen Schein der Mittagssonnen. Die Zwillinge Hardrab und Foljatin packten Nihara auf den Rücken eines Pferdes. Madhrab gab das Zeichen zum Aufsitzen. Ohne sich noch einmal umzusehen, ritt die Gruppe in eine ungewisse Zukunft davon.
Mit toten Augen und weit geöffnetem Mund starrte Chromlion anklagend in Richtung des Faraghad-Waldes. Der starre Blick verfolgte die sich langsam entfernenden Reiter, bis sie gen Nordwesten verschwanden.
Die ersten Blutkrähen ließen sich krächzend und um die besten Fleischbrocken streitend auf den Schultern des Fürsten nieder. Mit spitzen Schnäbeln pickten die dunkelrot gefiederten Vögel an seinen Augen. Mit dem gewaltsamen Tod des letzten Fürsten blieb das Haus Fallwas ohne Erben und war geschlagen. Die Burg jedoch sollte fortan den Bediensteten, Wachen und Kriegern gehören.
E PILOG
Kryson heißt Tag und Nacht.
Im steten Wechsel sie erscheinen.
Kryson gleicht Licht und Schatten.
Mag hell erleuchten und doch im Dunkeln stehn.
Kryson bestimmt Leben und Tod.
Endgültigkeit, so nah und doch so fern.
Kry wird niemals ohne Son bestehen.
Wer versteht dies Spiel der Ewigkeit,
dem verheißt das Gleichgewicht unendliche Macht.
Kryson ist Gut und zugleich Böse.
Sich selbst nur schadet, wer nach Zerstörung trachtet.
Kryson zeigt sich in Schwarz und Weiß.
Hab acht, hässlich und schön mag täuschen das Auge.
Kryson schafft Freund und Feind,
im fortwährenden Streit sie liegen.
Kry wird niemals ohne Son vergehen.
Wer versteht den Kampf um Gegensätze,
dem beschert das Gleichgewicht ewiges Leben.
Kryson ist die Welt, in der wir leben.
Unbegreiflich und doch so einfach zu verstehn.
Sein oder anders sein.
Gleich oder verschieden.
Eines bedingt das andere und umgekehrt.
Der Sieger ist Verlierer zugleich, der Held nur ein Versager.
Liebe und Hass liegen so nah beisammen.
Glück und Verderben nur einen Schritt auseinander.
Wer heute obsiegt, liegt morgen darnieder.
Das Gesetz Krysons kennt keine Gnade.
(Aus den Schriften des Lesvaraq Pavijur »Kryson«,
Kapitel 150, Seite 3067)
A uf dem Gipfel des höchsten Berges auf Kryson, dem Choquai, stand der Prinz der Felsgeborenen mit weit ausgebreiteten Armen und genoss die seinen Körper wütend umtosenden Winde. Kein Normalsterblicher hatte diese Höhe erklommen oder würde diesen Ort jemals mit eigenen Augen sehen. Selbst für einen Felsgeborenen wie Vargnar stellte diese Höhe eine große Herausforderung dar. Auf dem Gipfel des Choquai gab es keine Luft zum Atmen und es war bitterkalt. Er brauchte den unmittelbaren Kontakt mit den Felsen, um in solchen Höhen überleben zu können. Vargnar atmete durch den Stein. Doch es war schwer, auf dem Gipfel ein freies Stück Fels zu finden, das nicht von Schnee und Eis überzogen war. Der Prinz hatte sich einen schmalen Streifen freikratzen müssen, auf dem er nun regungslos stand. Zu seinen Füßen saß ein frierender Felsenfreund, der seine kleinen Hände unter seinem pelzigen Körper versteckt hatte.
»Ihr seid verrückt«, meckerte Goncha, der kleine pelzige Felsenfreund des Prinzen, im Geiste, »müsst Ihr Euch stets solchen Gefahren aussetzen? Was wollt Ihr
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