Kryson 03 - Zeit der Dämmerung
nieder. Letzteres wird keiner von Euch überleben, das verspreche ich Euch.«
Außer einigen Unmutsäußerungen verhielten sich die Bewohner der Burg ruhig. Sie wagten nicht, sich gegen den Krieger in der roten Rüstung aufzulehnen, der in ihren Augen zu allem imstande war und seine Drohung, ohne zu zögern, in die Tat umsetzen würde.
In Begleitung einiger Bewahrer und Sonnenreiter betrat Madhrab das Innere der Burg, während Foljatin und Hardrab den Fürsten banden und vorbereiteten. Der Krieger sah sich um und fand den Eingang zum Turm, in welchem er Elischa vermutete. Mit bis zum Hals klopfendem Herzen stieg er die Stufen hinauf und konnte es kaum abwarten, bis er das Ende der Treppe endlich erreicht hatte. Schwer atmend blieb er am oberen Ausgang in der Tür stehen. Seine Augen suchten die Orna, bis sich ihre Blicke trafen. Tränen standen in Elischas Augen, als sie den alten Mann in der Tür stehen sah, nach dessen Nähe sie sich so lange gesehnt hatte.
Langsam löste sie sich von der Brüstung und bewegte sich auf ihn zu.
»Madhrab«, flüsterte Elischa.
Sie hielt ihren Kopf schief und betrachtete ihn aus ungläubigen Augen, als wäre er ein von den Toten erwecktes gespenstisches Wesen. War er es wirklich? Unschlüssig blieb sie nur zwei Fuß vor ihm stehen, ohne seinem Blick auszuweichen. Plötzlich löste sie sich aus der Starre und schlug ihm mit der flachen Hand ins Gesicht. Er wehrte sich nicht, versuchte nicht einmal ihre Hand festzuhalten. Sie schlug noch zwei weitere Male zu, bis sich seine Wangen rot färbten und brannten.
»Madhrab!«, schrie Elischa.
Mit beiden Fäusten hieb Elischa kräftig auf seinen Brustkorb ein. Hämmerte auf ihn fortwährend ein, ließ ihrer Enttäuschung und vor allen Dingen der Wut freien Lauf. Die Gefühle ließen sich nicht beherrschen, brachen ungehemmt aus ihr heraus. Angestaut über all die Sonnenwenden ihres Leidens machte sie sich mit einem Mal Luft. Seine Wunde blutete und schmerzte, aber Madhrab hielt still und ließ sie gewähren.
»Madhrab« – ihre Schreie gingen in ein verzweifeltes Schluchzen über – »wo warst du? Unser Leben! Du hast unser beider Leben geopfert. Wofür?«
Madhrab sagte kein Wort und zog die Orna stattdessen an sich, hielt sie in seinen Armen, so fest er nur konnte, und drückte sie dicht an seinen Körper. Am ganzen Leib zitternd, ihr Gesicht in seinem Brustkorb vergrabend, konnte und wollte sie ihre Tränen nicht mehr zurückhalten. Sie wusste nicht, ob sie vor Freude, Wut oder Verzweiflung weinte. Der Grund war ihr gleichgültig. Madhrab war gekommen, sie von der Qual zu befreien. Nach dreiundzwanzig Sonnenwenden hatte er sein Versprechen gehalten und war zu ihr zurückgekehrt. Seine Nähe zu spüren tat ihr unendlich gut.
»Ich liebe dich«, sagte Madhrab leise.
»Ich liebe dich auch«, antwortete Elischa.
Madhrab fasste Elischa an der Hand und führte sie aus dem Turm nach unten.
Foljatin und Hardrab hatten das Tor inzwischen herabgelassen, sich in der Burg Leitern besorgt und die Eisendorne in der Schmiede der Burg in glühendem Feuer erhitzt. Der Krieger erschien in Begleitung Elischas. Seine Miene war unverändert hart und unnachgiebig.
»Bringt Chromlion nach oben und haltet ihn dort fest«, befahl Madhrab.
»Lass Gnade walten«, flüsterte Elischa leise, wohl wissend, dass Madhrab ihre Bemerkung überhören würde, »das Leiden muss ein Ende haben.«
An Seilen wurde Chromlion am Burgtor nach oben gezogen, gerade so viel, dass er mit den Beinen vier Fuß über dem Boden hing. Als er in die gewünschte Position gezerrt worden war, stieg Madhrab mit Hammer, Handschuhen und Eisendornen bestückt auf eine der bereitgestellten Leitern und begann, den ersten Eisendorn mit dem Hammer durch die Hand des Fürsten zu treiben. Chromlion brüllte seinen Schmerz hinaus.
»Der ist für meine Mutter«, zischte Madhrab, während er weitere Dornen, die Leiter mal hinauf und wieder herabsteigend, durch das Fleisch des Fürsten entlang der Arme und in die Füße trieb, »und der hier für meinen jüngsten Bruder Solhab … dieser für Nythrab und ein weiterer für meine kleine Schwester Hira.«
»Mieser, dreckiger Bastard von einem Bauern«, stöhnte Chromlion und spuckte Madhrab ins Gesicht.
Chromlion schrie ohne Unterlass und übertönte für die anderen die Worte Madhrabs, die in seinen Ohren fürchterlich schmerzten. Jeder von seinem verhassten Todfeind ausgestoßene Name brannte wie Feuer in seinem Fleisch, raste durch seine
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