Kryson 03 - Zeit der Dämmerung
darauf gestoßen wäre und den Geruch eines stark gewürzten Eintopfes wahrgenommen hätte, der ihn schmerzlich daran erinnerte, dass er seit seiner Landung im Riesengebirge nichts mehr zu sich genommen hatte. Die Behausung des Einsiedlers war schlicht und hob sich nur unwesentlich von den sie umgebenden Felsen ab. Es war ein gutes Versteck und vor allem geschickt getarnt. Aus der Ferne war die Hütte nicht ohne Weiteres zu entdecken, es sei denn, ein Beobachter wusste, wonach er Ausschau halten musste. Sapius stand vor der Hütte Kallahans, des alten Einsiedlers und Saijkalsan, unschlüssig ob der Entscheidung, sich entweder durch Klopfen oder Schreien bemerkbar zu machen oder einfach in die Hütte zu gehen und sich vorzustellen. Das Dach der Behausung war mit größeren und kleineren Steinen eingedeckt. Massive Holzbalken stützten den einfachen, aber stabilen Aufbau und bildeten den Rahmen der Hütte. Die Außenwände hingegen waren aus naturbelassenen, unterschiedlich großen und ungleichen Steinen hochgezogen worden, deren Zwischenräume ordentlich mit Lehm und Stroh ausgestopft und abgedichtet worden waren. Lediglich zwei Fenster befanden sich in der Hütte. Das eine zeigte nach Süden und war durch einen Holzladen gesichert. Das andere war gen Osten ausgerichtet und war offen. Dahinter hatte der Einsiedler zum Schutz gegen Wind und Kälte ein Fell angebracht.
Sapius ging um die Hütte herum und entdeckte auf der nach Westen Richtung Choquai gewandten Seite eine niedrige hölzerne und mit Eisen beschlagene Tür, in die magische Runen eingeritzt worden waren und sich bei genauerem Hinsehen als Schutzrunen herausstellten. Die Tür zeigte allerdings deutliche Anzeichen von Verwitterung und würde bald ersetzt werden müssen. Sapius entschied sich schließlich für die höflichere Variante des sich Ankündigens sowie seines weiteren geplanten Vorgehens. Immerhin suchte er die Unterstützung des Saijkalsan im Kampf gegen den dunklen Hirten und nicht dessen Feindschaft. Er klopfte zaghaft an die Tür, weil er fürchtete, sie fiele in sich zusammen, sollte er energischer pochen. Aber das musste er nicht, denn von innen vernahm er eine Stimme, die ihm deutlich machte, dass sein Klopfen gehört worden war.
»Wer seid Ihr und was wollt Ihr? Stellt Euch vor, sonst bleibt die Tür geschlossen«, tönte die Stimme des Saijkalsan aus dem Inneren der Hütte.
Sapius nannte seinen Namen und sagte freiheraus, dass er, dem Rat der Drachen folgend, die Hilfe des Saijkalsan suche. Für eine Weile tat sich nichts, dann sprang die Tür jedoch wie von selbst auf und der Magier trat ein. Da der Saijkalsan weder Kerzen noch Laternen entzündet und die Fenster verhängt hatte, war es im Inneren der Hütte stockfinster. Für Sapius war es schwierig, den Einsiedler auszumachen, der es sich auf einem mit Fellen gepolsterten Stuhl mit hoher Rückenlehne vor seinem Bettlager bequem gemacht hatte und in die Dunkelheit starrte. Sapius tastete sich vorsichtig vor, umging einen Schemel und einen Tisch mit schiefen Beinen und blieb schließlich vor Kallahan stehen.
»Ich sehe nichts«, sagte Sapius, »versteckt Ihr Euch immer im Dunkeln?«
»Macht Euch nichts daraus«, antwortete Kallahan, »ich sehe auch nichts. Mein Augenlicht war der Preis, um die Macht der Saijkalrae zu nutzen.«
»Fürwahr ein hoher Preis. Ihr müsst viel genommen haben, wenn sie Euch dieses Opfer abverlangten.«
»Möglich. Aber vielleicht bestrafte mich der dunkle Hirte für meine Aufsässigkeit. Heute bin ich mir nicht mehr sicher, ob der Einsatz das Opfer wert war«, antwortete der Einsiedler, »aber sprechen wir nicht davon. Ich kann mit meinem inneren Auge trotzdem sehen, was ich sehen muss. Das genügt, damit ich mich zurechtfinde. Reden wir über Euch. Ich bin froh, dass Ihr den langen Weg auf Euch genommen und zu mir gefunden habt. Wir sind uns nie zuvor begegnet, obwohl wir beide schon seit vielen Sonnenwenden den Saijkalrae dienten. Ich um einiges länger als Ihr, dennoch trafen wir uns nicht in den heiligen Hallen. Ihr habt von Euch reden gemacht und seid beim dunklen Hirten in Ungnade gefallen. Er lässt Euch suchen. Wisst Ihr das?«
»O ja, das ist mir nicht entgangen. Im Wald Faraghad entkam ich nur knapp den Leibwächtern des dunklen Hirten. Danach verloren Haisan und Hofna meine Spur.«
»Er war gewiss nicht erfreut, als er davon erfuhr. Ihr solltet Euch allerdings nicht allzu sehr in Sicherheit wiegen, und mir fällt zu meinem Bedauern auf, dass Ihr
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