Kryson 03 - Zeit der Dämmerung
Prophezeiung zu beweisen – Euer Stab ist aus dem Holz des Farghlafat gefertigt. Der Baum des Lebens wächst jedoch nur im Land der Tränen. Nur wenige können von sich behaupten, ein solch magisches Holz für sich zu beanspruchen. Es ist den Lesvaraq vorbehalten. Ihr müsst dort gewesen sein. Wenn Ihr aber dort wart, müsst Ihr tot gewesen sein. Auch diese Erfahrung findet sich in Euren Erinnerungen wieder«, erklärte Goncha seine Annahme.
»Das ist erstaunlich! Habt Ihr in meinen Gedanken gelesen?«, wollte Sapius erschrocken wissen.
»Verzeiht unsere Neugier und Ungeduld«, entschuldigte sich Goncha, »die Felsgeborenen und Felsenfreunde tauschen auf diese Weise Informationen untereinander aus. Ähnlich, wie es die Drachen mit ihren Drachenreitern tun. Ihr müsst wissen, dass Felsenfreunde nicht in der Lage sind zu sprechen. Dafür senden sie ihre Gedanken aus. Eine höchst nützliche Gabe, sich unbemerkt zu unterhalten. Einige Völker der Altvorderen beherrschen diese Fähigkeit des Gedankenaustausches ebenfalls. Die Naiki nutzen sie und die Felsgeborenen haben sie perfektioniert. Die Erfahrung lehrt uns, dass wir vorsichtig sein müssen und daher lieber vorher wissen wollen, ob wir einem Freund oder Feind gegenüberstehen.«
»… ich bin überwältigt«, sagte Sapius. »Wusstet Ihr, dass ich bereits zwei weitere Streiter in den Wäldern von Faraghad traf? Einen Naiki-Jäger und einen Maiko-Naiki namens Belrod.«
»Ja, ich habe das gesehen«, antwortete Vargnar, »und es wird uns eine spätere Zusammenkunft erleichtern. Wir werden ab jetzt in Verbindung bleiben. Ich kann Euch und den anderen Streitern Botschaften durch den Stein senden. Aber die Suche nach dem Buch hat Zeit. Zuerst gibt es für jeden von uns andere Aufgaben zu erledigen. Lasst uns Euch helfen und den Saijkalsan suchen.«
»Gerne, welchen Weg schlagen wir ein?«
»Die Steine flüstern, Ihr sollt Euch von hier aus nach Westen wenden. Der Weg führt Euch direkt zur Hütte des Einsiedlers«, gab Vargnar die Richtung vor.
»Ihr begleitet mich nicht?«, fragte Sapius mit enttäuschter Miene.
»Nein«, antwortete Vargnar, »das ist Eure Aufgabe, nicht die unsere. Wir waren lediglich neugierig und wollten wissen, wer auf einem Drachen ins Riesengebirge kam. Für den dreisten Bruch der Vereinbarung werden wir allerdings eines Tages einen kleinen Tribut von Euch und Eurem Drachen einfordern. Ihr werdet sicher verstehen, dass die Altvorderen dies nicht ohne Weiteres hinnehmen dürfen. Wir werden für Euch aber gewiss einen angemessenen und nicht allzu belastenden Gefallen finden, den Ihr für uns erbringen dürft.«
»Ich verstehe«, sagte Sapius, »dann werde ich jetzt wohl oder übel klettern müssen. Lebt wohl.«
»Wir sehen uns wieder, wenn die Zeit der Zusammenkunft gekommen ist, Sapius. Bis dahin wünsche ich Euch Glück«, verabschiedete sich Vargnar.
»Auf Wiedersehen«, schickte ihm Goncha eine lautlose Botschaft.
Der Abstieg über den steilen Weg durch die Felsen war beschwerlich. Sapius kam nicht umhin, zwischendurch, entgegen dem ursprünglichen Plan, zur Überwindung von Hindernissen auf seine magische Begabung zurückzugreifen. An manchen Stellen brach der Weg einfach ab, und er stand plötzlich vor einem meterbreiten und tiefen Abgrund, den er überspringen musste, um auf die andere Seite zu kommen, wenn er dem Pfad weiter folgen wollte. Das fiel ihm mit dem steifen Bein so schwer, dass er sich dazu entschied, unter Einsatz von Magie über diese Lücken hinwegzuschweben. An anderen Wegstücken wiederum war der Weg durch Felsen blockiert und er musste viele Fuß wieder nach oben klettern, wollte er diese umgehen.
Das permanent vorherrschende Dämmerlicht war zwar lästig, weil er Mühe hatte, genug zu erkennen, um nicht über Steine zu stolpern oder auszurutschen. Aber es erschien ihm weit weniger bedrohlich als noch zuvor, nachdem er erkannt hatte, auf welche Weise die Dämmerung entstanden war und was genau das Tageslicht verschluckte. Dennoch war er sich darüber im Klaren, dass er etwas dagegen unternehmen musste. Und zwar schnell. Er durfte keine Zeit verlieren, denn die Auswirkungen auf Ell mussten auf lange Sicht verheerend sein, wenn dem magischen Phänomen des dunklen Hirten nicht bald ein Ende gesetzt wurde. Umso wichtiger stufte er ein baldiges Treffen mit Kallahan ein.
Sapius bemerkte die Hütte des Einsiedlers erst im letzten Augenblick, nachdem er beinahe daran vorbeigelaufen war, wenn er nicht mit der Nase
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