Kryson 03 - Zeit der Dämmerung
versuchen, den Fluch so lange wie möglich aufrechtzuerhalten. Und er wird Quadalkar für sich gewinnen wollen. Das ist einer der Gründe, warum er die Zeit der Dämmerung heraufbeschworen hat. Er kommt Quadalkar mit der Schaffung für ihn idealer Bedingungen entgegen, damit dieser endlich aus der Verbannung zurückkehrt. Ich habe Quadalkar vor wenigen Tagen in seiner Burg aufgesucht und mich bemüht, ihn von der Wichtigkeit seiner Selbstaufgabe zu überzeugen. Er kennt und respektiert mich. Einst war ich wie ein Bruder für ihn und half ihm der Folter der Inquisition zu entkommen. Das ist lange her und inzwischen ist viel geschehen. Aber Quadalkar hat sich verändert. Dennoch hörte er zuweilen auf mich. Dieses Mal jedoch nicht. Er zeigte sich stur und sehr abweisend. Mein Ansinnen lehnte er strikt ab, und möglicherweise hätte er mich sogar angegriffen. Das ist umso bedauerlicher, als er auch Eure Botschaft missachtet und die in Eurem Auftrag entsandten Gefährten stattdessen in seine Familie aufnahm. Ich habe sie in der Gewalt des Bluttrinkers gesehen. Renlasol, Yilassa und Pruhnlok. Sie sind jetzt seine Kinder und gehorchen ihm. Ihre Seelen wurden während der Verwandlung und mit dem ersten Blut des Jägers verdorben.«
Und ich bin schuld an der Misere, dachte Sapius zutiefst betroffen.
Nun hatte er Gewissheit über das Schicksal von Renlasol. Der Magier zog den Schemel zu sich heran; er musste sich dringend setzen. Wie hatte er annehmen können, dass sein Plan aufging und Quadalkar seiner Bitte folgen würde? So oft hatte er sich schon geirrt. Das Schlimmste daran war, dass seine Fehler nicht nur ihn selbst trafen, sondern andere mit in den Schlamassel hineingezogen wurden. Er würde nicht wiedergutmachen können, was er angerichtet hatte. Wie würde Madhrab reagieren, wenn er davon erfuhr? Der Magier war betrübt und wusste keinen Ausweg. Er hätte selbst gehen und Quadalkar um Unterstützung bitten müssen. Gleichgültig ob er ihm hätte gegenübertreten können und dessen Macht gewachsen war. Aber die Angst vor der letzten Begegnung mit dem Bluttrinker, bei der er beinahe sein Leben gelassen hatte, saß ihm dräuend im Nacken und hatte ihn in dieser Hinsicht handlungsunfähig gemacht.
»Ihr fühlt Euch verantwortlich für das Schicksal des Knappen, nicht wahr?«, fragte Kallahan.
»Ich hätte das niemals zulassen dürfen«, antwortete Sapius betrübt.
»Es ist, wie es ist. Ihr könnt das Geschehene nicht rückgängig machen und musstet wenigstens diesen Versuch unternehmen. Mir ging es ähnlich, als ich meine Schülerin Tallia zur Erweckung des dunklen Hirten mitnahm. Sie blieb bei ihm, um mich zu schützen. Das dumme Mädchen. Er hat sie verdorben und benutzt nun ihre Macht zur Aufrechterhaltung der Dämmerung. Durchdrungen von seiner Dunkelheit bis in die tiefsten Winkel ihrer Seele ist sie es, die das lichtverschlingende Band über Ell ausspeit und mit ihren finstersten Gedanken speist. Wenn Ihr so wollt, Sapius, tragen wir eine ähnliche Bürde. Ich versuche nicht daran zu denken und dennoch weiterzumachen, obwohl ich keinerlei Hoffnung hege, dass sie sich je wieder von der Verderbtheit reinwaschen kann.«
»Wir sind uns offenbar in mancherlei Hinsicht ähnlich«, stellte Sapius fest.
»Das stimmt. Aber im Gegensatz zu mir seid Ihr jung, habt Euren Irrtum früh erkannt und könnt nun einiges wieder ins richtige Licht rücken. Ich hingegen dachte, Ulljan habe gewollt, dass ich den Saijkalrae diene, weil ich niemals auf die Idee kam, dass sie tatsächlich in der Lage wären, einen Lesvaraq zu vernichten, und er sein abscheuliches Ende absichtlich zuließ. Aber das war falsch. Ich war viele Sonnenwenden lang Ulljans Schüler und später sein Magier; wenn Ihr so wollt, seine rechte Hand. Ich hätte es besser wissen müssen. Ein Irrtum, genauso wie der Eure, als Ihr dachtet, die Saijkalrae hätten Euch vor dem Tod und dem Schicksal des Bluttrinkers gerettet. Doch nun sind die Lesvaraq wiedergeboren und die Herrschaft der Saijkalrae geht allmählich zu Ende. Vielleicht erleben sie noch einen letzten Höhepunkt ihres Strebens. Es wird Zeit für eine Abkehr von den gemeinen Brüdern, auch wenn es für mich schon beinahe zu spät ist.«
»Stimmt es, dass Ulljan der Lesvaraq der Nacht war?«, wollte Sapius plötzlich wissen.
»Oh … Ihr überrascht mich? Woher wisst Ihr das? Dieses Wissen ging über die Sonnenwenden fast gänzlich verloren. Die Saijkalrae haben ganze Arbeit geleistet, um die Erinnerung
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