Kryson 03 - Zeit der Dämmerung
unvorsichtig seid. Woher wisst Ihr, dass ich Euch wohlgesinnt bin und Euch nicht an Saijrae verrate? Vielleicht gibt er mir die Sehkraft zurück, wenn ich ihm in dieser Hinsicht zu Diensten bin«, meinte Kallahan.
»Ich bin ein Tartyk und vertraue den Drachen«, antwortete Sapius. »Wem sollte ich sonst vertrauen? Ihr werdet mich jedenfalls nicht an den dunklen Hirten verkaufen, selbst wenn er Euch dafür alles verspricht. Das kann ich fühlen. Mein Schüler Malidor hat mich einst verraten und ich habe seine Absichten zu spät erkannt. Das wird nicht noch einmal geschehen. Erst später wurde mir bewusst, welch unbeabsichtigten Gefallen er mir damit getan hat. Ohne ihn wäre ich nicht ins Land der Tränen gelangt und hätte mich nicht von den Fesseln der Saijkalrae befreien können.«
»Lobt die falsche Schlange nicht zu sehr. Ein interessanter Aspekt, den Verrat eines Saijkalsan an einem anderen Saijkalsan auf diese Weise zu sehen. Nach meinem Dafürhalten zerfraß ihn der Neid auf seinen Meister, so wie einst die Saijkalrae ihren Lehrer vernichten wollten, nachdem sie feststellten, dass sie einem Lesvaraq an Stärke nicht annähernd gewachsen waren und die Fähigkeiten niemals erreichen würden.«
Der Saijkalsan erhob sich aus seinem Stuhl, nahm einen Kessel vom Tisch und füllte diesen aus einem daneben stehenden Tonkrug mit Wasser. Er gab einige Kräuter hinzu, sprach unverständliche Worte und stellte den plötzlich dampfenden Kessel wieder zurück auf den Tisch.
»Gießt Euch einen Becher ein, Sapius«, bot er dem Magier das Getränk aus dem Kessel an. »Das ist Morgenruf, auf magische Weise zubereitet. Er weckt müde Geister, schärft die Sinne und wird Euch nach der Wanderung guttun. Und wenn Ihr schon dabei seid, wärt Ihr bitte so freundlich und schenkt mir auch einen Becher ein? Solltet Ihr Hunger haben, bedient Euch nach Belieben am Zwiebeleintopf. Es ist genug für eine Woche da. Brot findet Ihr in der Truhe neben dem Tisch. Es ist trocken, schmeckt aber nach Monden immer noch. Weicht es ein, damit Ihr Euch nicht die Zähne daran ausbeißt.«
Kallahan deutete auf einen weiteren Kessel, aus dem es herzhaft duftete. Das war der Geruch, der ihn auf die Hütte aufmerksam gemacht hatte. Sapius nickte. Durst und Hunger zeigten sich inzwischen überdeutlich und ließen ihn nicht in Ruhe. Ein Becher Morgenruf und ein Teller Eintopf waren genau das, was er jetzt brauchte. Der Magier fühlte sich sofort besser, nachdem er den ersten Schluck getrunken und einen Löffel des Eintopfes gekostet hatte. Auf das steinharte Brot verzichtete er, nachdem er sich vergeblich bemüht hatte, ein Stück davon abzubrechen.
»Kommen wir zur Sache, Sapius. Ich werde Euch zuhören und bin neugierig, was Ihr mir erzählen wollt. In welcher Angelegenheit, die er selbst vielleicht besser erledigen könnte, sucht ein freier Magier, wie Ihr einer seid, die Unterstützung eines alten Einsiedlers, der den Großteil seines einsamen Lebens an die Saijkalrae vergeudet hat?«
Sapius erzählte Kallahan alles, was er über den ewigen Schlaf der Saijkalrae, das Erwachen des dunklen Hirten, dessen Pläne und die Zeit der Dämmerung herausgefunden hatte. Dabei sparte er nicht aus, welch schwierige Aufgabe ihm das Schicksal zugedacht hatte. Den Schutz der Lesvaraq konnte er auf Dauer nur gewährleisten, wenn er sich gegen die Feinde der Neugeborenen wandte. Er berichtete, dass er den Knappen Renlasol und dessen Gefährten deshalb auf die gefährliche Reise in das Land der Bluttrinker geschickt hatte, um Quadalkar in seinem Kampf gegen die Saijkalrae um Hilfe zu bitten. Die Lösung bestand für ihn nach wie vor in der Erweckung des weißen Schäfers. Nur er wäre im Moment in der Lage gewesen, seinem Bruder zur Wahrung des Gleichgewichtes Einhalt zu gebieten. Sie waren sich schnell darüber einig, dass nur die Selbsttötung des Bluttrinkers Quadalkar den Fluch wirksam aufheben konnte.
»Meine Überlegungen gingen in eine ähnliche Richtung«, seufzte Kallahan nachdenklich. »Jedenfalls glaube ich, dass die Saijkalrae nur überwunden werden können, wenn sie beide wach sind. Der Fluch muss zuvor aufgehoben werden, denn er schützt die Schlafenden. Unglücklicherweise erstreckt sich dieser Schutz auch auf den dunklen Hirten, obwohl er bereits erwacht ist. Das liegt daran, dass der Fluch in den Hallen weiterhin wirkt. Ist der weiße Schäfer aber wach und der Fluch beendet, werden sie beide verletzlich. Der dunkle Hirte weiß davon und wird
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