Kryson 03 - Zeit der Dämmerung
nicht ab. Dafür kenne ich ihn zu gut.«
»Der Drache erwähnte so etwas vor der Landung«, erinnerte sich Sapius an den Tadel des Drachen.
»Ihr kamt mit einem Drachen in das Riesengebirge?«, zeigte sich Kallahan überrascht.
»Ja«, bestätigte Sapius, »ich bin ein Tartyk und neuerdings mehr oder weniger freiwillig Drachenreiter.«
»Das ist ein Vorteil für Euch. Ihr könnt mit dem Drachen schnell reisen, wenn es vonnöten sein sollte.«
»Er wird mir leider nicht auf Dauer zu Diensten sein. Ich habe ihn mir … sozusagen ausgeborgt. Der Drache dient meinem Vater, dem Yasek der Drachenreiter. Was ist nun mit Eurem Gedanken?«
»Ach ja … verzeiht. Ich vergaß«, entschuldigte sich Kallahan. »Einen Drachenreiter trifft man schließlich nicht alle Tage. Wir waren bei Quadalkars Feldzug. Ich fragte mich, warum er ausgerechnet gegen die Bewahrer zieht und das Haus des hohen Vaters und der heiligen Mutter belagert. Es hätte andere, leichter zu erreichende Ziele gegeben. Aber er wendet sich ohne Umschweife gegen den Erzfeind der Bluttrinker. Der Ausgang einer solchen Belagerung ist offen. Die Bewahrer wissen sich gegen Bluttrinker zu wehren. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er eine solche Schlacht gewinnen kann.«
»Was wollt Ihr damit andeuten?«, hakte Sapius nach.
»Der Eroberungsplan passt nicht zu Quadalkar. Bei aller Veränderung, die er durch den Fluch erfahren hat, ist er dennoch stets klug und vorsichtig geblieben. Er weiß, was ihn erwartet.«
»Ihr denkt … er plant sein eigenes Ende und das seiner Kinder?«
»Genau davon gehe ich aus. Das wäre die für ihn einfachste Lösung, dem Fluch der Saijkalrae zu entkommen und dabei das letzte Kapitel seiner Geschichte selbst zu schreiben. Im Grunde ist er unsterblich und würde sich niemals selbst in einer stillen Kammer einen Pflock durchs Herz bohren oder sich den Kopf abreißen. Das würde ihn – wie jeden Bluttrinker – in die Flammen der Pein bringen. Diesem Schicksal kann er nur dann entgehen, wenn es einem Bewahrer tatsächlich gelingen sollte, den Fluch aufzuheben, bevor Quadalkar stirbt. Verlässt er Kryson, dann mit erhobenem Haupt und ohne den Fluch. Am Ende einer unendlich langen Zeit der Verdammnis der Legende Quadalkar steht ein ehrenvoller Heldentod. Er strebt nach einem Platz im Land der Tränen. Das würde zu ihm passen.«
Sapius fand die Ausführungen des Einsiedlers schlüssig. Allerdings war er sich nicht sicher, ob sie nicht eher einem Wunschdenken als der Realität entsprangen. In seinen Augen war Quadalkar, neben all seinen Fähigkeiten und Erfahrungen, in erster Linie eine nach Blut dürstende Bestie, obwohl er wusste, dass dies nicht stimmte und hinter dem Monster weit mehr steckte. Dennoch fiel es ihm schwer, an die Theorie des Saijkalsan zu glauben.
»Ich weiß nicht. Eure Geschichte klingt vernünftig und doch will sie mich nicht recht überzeugen. Was schlagt Ihr vor, Kallahan?
»Mag sein, dass ich meine Gedanken nicht ausreichend geordnet hatte, als ich Euch davon erzählte. Aber je mehr ich darüber nachdenke, desto wahrscheinlicher erscheint mir diese Theorie.«
»Und wenn Quadalkar nur wieder dem dunklen Hirten dienen will, sich nach Liebe in seinem Herzen sehnt und sich durch die Gnade der Saijkalrae Erlösung vom Fluch erhofft? Dann könnte er weiterleben, wenn ihm der dunkle Hirte hilft.«
»Das kann ich mir nicht vorstellen, Sapius. Quadalkar ist viel zu erfahren und kalt, um an die Gnade der Saijkalrae zu glauben, die er in all den Jahren selbst nie erfahren oder erleben durfte. Ich sah ihn mit meinem inneren Auge und sage Euch, er ist des Fluches müde. Er würde den Saijkalrae niemals in der Gestalt eines Bluttrinkers dienen. Der dunkle Hirte könnte den Fluch nicht von ihm nehmen, selbst wenn er dies wollte. Niemand vermag das, es sei denn, es gelänge ihm, den Bluttrinker tatsächlich zu töten. Und da sind wir wieder bei den Bewahrern. Ob sie ihn am Ende überwinden könnten, weiß ich nicht. Jedenfalls schlage ich vor, dass wir das Ergebnis der Belagerung abwarten, bevor wir unsere weiteren Schritte zum Schutz der Lesvaraq planen.«
»Gut, dann warten wir ab. Allerdings könnte die Belagerung sehr lange dauern. Die Bewahrer sind in der Lage, sich über viele Sonnenwenden hinweg selbst zu versorgen. So lange dürfen wir unmöglich warten.«
»Habt Geduld, Sapius. Es wird nicht lange dauern. Ich weiß das und Ihr wisst es auch. Die Zeit der Dämmerung wird die Bewahrer zum Handeln zwingen. Schon
Weitere Kostenlose Bücher