Kryson 04 - Das verlorene Volk
seiner Gattin durchgebracht . Jafdabh hatte den Tod verdient.
Der Fürst war sich sicher, dass er die von der Droge geförderte Auseinandersetzung mit Madhrab nicht überleben würde.
»Sehen die Fürsten denn nicht, welchen Fehler sie mit der Wahl Madhrabs begehen?«, fragte sich Renlasol.
Der Plan war perfide. Madhrab würde den Regenten während des Abendessens töten. Der Rat der Fürsten könnte eine solche Tat niemals billigen und würde den Fehler von Madhrabs Berufung einsehen. Einem Regentenmörder durften sie den Thron nicht anvertrauen. Auf dieses Verbrechen stand der Gang zu den Schatten.
Ging der Plan auf, schlugen sie zwei Fliegen mit einer Klappe. Jafdabh würde sterben, Madhrab hingegen gefangen genommen und zum Tode verurteilt werden. Der Thron war frei. Raussa würde sich einen neuen Gatten suchen, der an ihrer Seite über die Klanlande herrschte. Wer wäre dazu besser geeignet, als der über viele Sonnenwenden in den Staatsgeschäften erfahrene und engste Berater des Regentenpaares, Renlasol?
Renlasol nickte erwartungsfroh mit dem Kopf. »Ja, das könnte klappen.« Ein dunkler Schatten hatte sich durch die Gänge des Kristallpalastes bis vor die Kammer des Lesvaraq Tomal geschlichen. Für das Gefäß war es ein Leichtes, den Weg zu finden, hatte er doch zuvor einen Diener des Palastes auf seine ganz eigene Art und Weise befragt und anschließend beseitigt. Unbemerkt war er durch die Flure gelangt. Er war ein Meister der Tarnung und Täuschung, der seine Kunst perfektioniert hatte. Ein Mörder, der nur gesehen wurde, wenn er dies zuließ. Das Gefäß hatte die Zeit der Ruhe und des Friedens genutzt, zu lesen und zu forschen.
Vorsichtig lauschte er den Geräuschen hinter der Tür. Er hörte Stimmen. Der Lesvaraq war wach. Das war gut. Er musste mit ihm sprechen, wollte ihm ein Geschäft vorschlagen und war gespannt, ob sich Tomal darauf einlassen würde. Aber warum nicht? Schließlich hatte er Wissen anzubieten. Eine Erkenntnis, die für den Lesvaraq wertvoll sein konnte. Dennoch zögerte er, die Tür zu öffnen und die Kammer zu betreten.
Irgendetwas ging in der Kammer vor sich, was ihn zurückhielt. Er musste sich vorsehen. Der Lesvaraq war mächtig und würde ihn gewiss sofort bemerken, sobald er sich durch die Tür in die Kammer geschoben hätte – anders als viele seiner Opfer, denen er sich meist geräuschlos und ungesehen hatte nähern können. Aber er hatte nicht vor, sich anzuschleichen und den Lesvaraq zu töten. Im Gegenteil, er brauchte dessen Hilfe.
Schließlich hatte er Tomal lange gesucht, war jedoch in der Vergangenheit gescheitert, ihm von Angesicht zu Angesicht entgegentreten zu können. Zugegeben, er hatte lange gebraucht, bis er die Zusammenhänge vollends verstanden hatte und endlich auf den richtigen Pfad gelangt war, der ihn schließlich in den Palast nach Tut-El-Baya geführt hatte.
Elischa, die leibliche Mutter des Lesvaraq, hatte ihn getäuscht. Seine Sinne hatten ihn im Stich gelassen, die wahre Herkunft und den Aufenthaltsort des Kindes verschleiert. Erhatte ihren Worten geglaubt und angenommen, Elischa habe ihr Kind verloren. Nunmehr verstand er, was sich ereignet hatte. Sie hatte ihn in der Not nicht belogen, aber ihre Irreführung war geschickt gewesen und am Ende gelungen. Er hätte die Warnungen des Overlords ernst nehmen und sich besser vorsehen sollen. Sie war eine Orna. Eine kluge Frau und damals eine junge Mutter, die ihren Sohn um jeden Preis zu schützen wusste. Er hatte sie unterschätzt.
Der Lesvaraq schrie und tobte, als würde er einen Kampf gegen einen Gegner ausfechten. Das Gefäß fragte sich, war noch jemand in der Kammer? Er war überrascht. Die zornigen Worte Tomals entgingen ihm nicht. Sie waren durch die geschlossene Tür und die Wände lautstark und überdeutlich zu vernehmen.
»Lass mich in Ruhe!«, tönte die Stimme des Lesvaraq. »Deine Einflüsterungen. Du quälst mich Tag und Nacht damit. Sieh dich vor, sonst werde ich dich töten. Das wäre die beste Lösung für uns beide.«
»Das kannst du nicht«, die Stimme klang anders, ähnlich zwar, aber auf eigenartige Weise heller als die erste, die er anfangs vernommen hatte, »ich bin ein Teil von dir. Tötest du mich, wirst du dich selbst überwinden müssen. Wie willst du das anstellen? Mich einfach aus dir herausschneiden? Das wäre unser beider Ende.«
»Unsinn«, zürnte die erste Stimme, »du hinderst mich daran, mich für das Richtige zu entscheiden. Du machst mich verrückt.
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