Kryson 04 - Das verlorene Volk
Gleichgewicht nicht gefährden werde. Eine Störung des steten Ausgleichs der Kräfte liegt nicht in meinem Interesse. Ich will nur frei sein und leben. Ich will haben, was mir zeit meines Lebens verwehrt wurde, und noch mehr.«
»Ich muss darüber nachdenken, Blyss«, sagte Tomal. »Alleine die Existenz eines unsterblichen Wesens mit Euren Fähigkeiten könnte eine Gefahr für Kryson darstellen.«
»Lasst Euch mit der Entscheidung nicht zu viel Zeit, Herr«, gab Blyss zu bedenken, »Ulljan und die anderen Lesvaraq schufen einige Wesen wie mich und schenkten ihnen die Unsterblichkeit. Habt Ihr von den Wächtern des Buches gehört?«
»Sapius, mein Magier, erwähnte die Wächter ein- oder zweimal, als wir über die Suche sprachen. Er hat davon in einigen Schriften gelesen. Allerdings steht nur wenig über sie geschrieben und die Prophezeiung geht auf diese Frage nicht näher ein. Sie bleibt in dieser Hinsicht rätselhaft. Genaueres wissen wir also nicht«, räumte Tomal ein.
»Ich habe mich in den Archiven des hohen Vaters belesen. Ein Atramentor half mir dabei«, lächelte Blyss in sich hinein und verschwieg dabei, dass er dem Schriftgelehrten den Hals durchgeschnitten hatte. »Zugegeben, nicht aus freien Stücken. Es heißt, Ulljan habe die Wächter eigens erschaffen, um das Buch der Macht zu schützen. Er wollte verhindern, dass es eines Tages in die falschen Hände gerät. Genauer gesagt in die Hände der Saijkalrae. Aber nach allem, was ich gesehen habe, wollte er das Buch nur für sich alleine haben.«
Tomal war aus vielen Gesprächen mit Sapius und eigenen Studien über den letzten Lesvaraq bekannt, dass Ulljan seine Eigenarten hatte. Es wäre möglich, dass der Erzmagier das Buch für gefährlich hielt und es deshalb versteckte und bewachen ließ. Dennoch gab es die Prophezeiung. Die Suche musste beginnen. Und der Lesvaraq war ungeduldig.
»In Ordnung, Blyss«, sagte er schließlich, »ich versuche Euch zu helfen, sobald ich das Buch in meinen Händen halte. Versprechen kann ich Euch nichts. Niemand weiß, welches Wissen sich darin verbirgt und ob es mir gestatten wird, Euch Freiheit und die Unsterblichkeit zu schenken.«
»Das ist mehr, als ich erwarten durfte«, antwortete Blyss und deutete eine Verbeugung an, »lasst uns den Pakt mit unserem Blut besiegeln.«
Blyss zog einen Dolch aus seinem Gewand und hielt ihn Tomal mit dem Schaft voraus hin. Tomal näherte sich einige Schritte, nahm den Dolch und setzte die Klinge an seinen Unterarm. Die Klinge war scharf und der Schnitt, den sichTomal beibrachte, war tief. Blut rann ihm über den Arm. Aber er verzog keine Miene. Der Lesvaraq reichte Blyss den Dolch zurück und forderte ihn dazu auf, es ihm gleichzutun. Das Gefäß zögerte nicht. Als es sich ebenfalls geschnitten hatte, packte der Lesvaraq den Arm und drückte seinen Unterarm gegen die Wunde des Besuchers. Blyss heulte vor Schmerz auf und wollte seinen Arm zurückziehen. Das Blut des Lesvaraq brannte wie Feuer in seinen Adern. Tomal hielt ihn mit eisernem Griff fest.
»Dies ist ein magischer Bund des Blutes«, sagte Tomal beschwörend, »der nicht gebrochen werden darf. Sprecht mir nach! Ich, Blyss schwöre dem Lesvaraq Tomal fortan ewige Treue …«
Blyss zögerte einen Augenblick. Die Wunde schmerzte fürchterlich und er dachte, sein Arm würde jeden Augenblick verbrennen. Sein Mund fühlte sich trocken an. Was hatte Tomal vor? Wollte er ihn an sich binden? Das hatte sich Blyss anders vorgestellt. Von ewiger Treue hatte er nicht gesprochen. Im Gegenteil, er wollte frei sein. Endlich nicht mehr an ein anderes Wesen gebunden.
»Ich … Blyss, schwöre … Euch … ewige … Treue«, kam es wie von selbst über seine Lippen.
Er war nicht mehr er selbst, konnte seine Gedanken nicht kontrollieren. Er spürte die Macht des Lesvaraq mit jeder Faser seines Körpers. Das Licht in Tomal musste die Ursache für seine Schmerzen sein. »Ich hätte mich besser vorsehen müssen«, dachte er verängstigt, ohne sich gegen den Einfluss zur Wehr setzen zu können.
»Wann immer der Lesvaraq ruft, werde ich kommen, seinen Worten gehorchen und dienen«, fuhr Tomal fort.
»Ich … werde … Euch gehorchen und … dienen«, echote Blyss.
»Ich zeige ihm den richtigen Weg zu Ulljans Buch«,verlangte der Lesvaraq, »und werde es mit meinem Leben für meinen Herren verteidigen.«
»Ich … gebe Euch … mein Leben«, antwortete Blyss, während er mit Verwunderung das Lächeln des Lesvaraq sah, das dessen Lippen
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