Kryson 05 - Das Buch der Macht
Herz.«
»Ich fürchte, seine Größe werde ich nie erreichen«, seufzte Sapius.
»Sag das nicht, Yasek«, antwortete Haffak, »niemand ist fehlerlos. Auch Vargnar hat seine Schwächen. Aber er weiß damit umzugehen. Obwohl du schon vieles, Gutes wie Schlechtes, gesehen und erlebt hast, bist du für einen König der Tartyk noch sehr jung und stehst erst ganz am Anfang eines langen steinigen Weges.«
»Ich kann noch nicht glauben, dass ich plötzlich in die Fußstapfen meines Vaters treten soll«, erwiderte Sapius. »Danach stand mir nie der Sinn.«
»Das bist du doch schon«, sagte der Drache, »du hast dich entschieden und kannst nicht mehr zurück. Du trägst jetzt die Verantwortung für die Geschicke der Tartyk. Ein schweres Los in diesen Zeiten. Aber einen Schritt müssen wir noch gemeinsam gehen, um deine Berufung zum Yasek abzuschließen. Was hältst du von einem kleinen Ausflug? Du bist schon lange nicht mehr auf dem Rücken eines Drachen geritten und bestimmt aus der Übung. Das gebührt sich für einen Yasek nicht. Ich selbst könnte auch etwas Bewegung vertragen und möchte den Wind wieder unter meinen Flügeln spüren. Ich habe das Gefühl zu fliegen beinahe vergessen. So schrecklich lange konnte ich meine Schwingen nicht mehr öffnen und mich in die Lüfte erheben.«
»Aber ja«, stimmte Sapius zu, »es ist mir ein großes Vergnügen, mit dir zu fliegen. Wo soll der Ausritt hingehen?«
»Ich muss dir etwas zeigen«, antwortete der Drache. »Es ist sehr wichtig und die erste Pflicht eines jeden Yasek. Lass dich überraschen, Sapius. Wir werden rechtzeitig wieder zurück sein, damit du mit den Streitern gemeinsam aufbrechen kannst.«
Sapius berichtete den Streitern von seinem Vorhaben und begab sich sodann zu den Tartyk, um ihnen von Vargnars Großzügigkeit zu erzählen. Die Tartyk nahmen die Nachricht begeistert auf und konnten es kaum abwarten, Rodso in das Südgebirge zu folgen und ihr neues Leben zu beginnen.
»Ihr seid unser Yasek«, riefen die Tartyk, »Sapius, unser Befreier! All unsere Hoffnungen ruhen auf Euch. Kehrt bald mit dem Drachen zu uns zurück und führt uns in eine bessere Zukunft.«
»Ich will es versuchen«, versprach Sapius und wurde dabei rot.
Demira löste sich aus der Gruppe der Tartyk, trat auf Sapius zu, zog ihn mit einem Lächeln an sich heran und umarmte ihn.
»Wir können dir nicht dankbar genug dafür sein, dass du uns gerettet hast«, flüsterte sie in sein Ohr. »Wenn du willst, warte ich auf dich. Unser Versprechen gilt noch immer.«
Sapius schob Demira ein Stück von sich weg und sah ihr direkt in die Augen. Dieses Mal war es Demira, die errötete.
»Gib mir etwas Zeit, mich wieder an den Gedanken zu gewöhnen«, antwortete Sapius verlegen. »Sobald ich zurück bin, komme ich zu dir und wir reden über unsere Zukunft. Ich fühle mich sehr geschmeichelt und bin glücklich, dass du dieses Versprechen erneuerst, das sich unsere Familien vor sehr vielen Sonnenwenden einst gaben. Aber ich muss meine Gefühle erst ordnen. In meinen Gedanken herrscht Chaos und die Dunkelheit fordert ihren Tribut. Ich darf dich damit nicht belastenund wir müssen überlegen, welchen Gefahren du dich aussetzen würdest, wenn wir unser Versprechen tatsächlich einlösen sollten.«
»Natürlich«, sagte Demira leise, mit Tränen in den Augen, »ich werde dich nicht drängen. Ich möchte nur, dass du weißt, wie ich zu uns und unserer Vergangenheit stehe, gleichgültig was einst war und in all der Zeit geschehen ist oder noch kommen wird. Nimm mein Versprechen mit dir. Und denke bei all deinen Überlegungen daran, der Yasek braucht eine Gemahlin und eine Familie. Du würdest mich sehr glücklich machen, wenn ich deine Auserwählte sein dürfte.«
»Ich denke darüber nach. Das verspreche ich dir«, sagte Sapius. »Und nun geh mit den anderen. Ich wünsche mir, dass sie dir das schönste Haus in der neuen Stadt der Drachenreiter bauen.«
»Dafür werde ich schon sorgen«, lachte Demira und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht, »denn schließlich soll der Yasek eines Tages mit mir zusammen darin wohnen.«
»Schon gut«, Sapius musste nun ebenfalls lachen. »Nun geh endlich, bevor ich es mir anders überlege und gleich an diesem Ort über dich herfalle.«
»Komm nur. Ich habe nichts dagegen«, zwinkerte ihm Demira im Gehen neckisch zu.
»Geh!«, rief ihr Sapius hinterher.
Der Magier sah Demira noch lange nach. Sie bewegte sich anmutig, war hübsch, groß und schlank gewachsen.
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