Kryson 05 - Das Buch der Macht
Verlies Licht hatten.
»Kind!«, wurde sie sofort vorwurfsvoll von Ayale getadelt. »Nutze deine Macht. Der Donnerdornstab wird uns genügend Licht spenden. Du brauchst die Fackel nicht.«
Elischa zuckte mit den Schultern. Kaum hatte sie die Fackel in ihre Halterung in der Wand zurückgesteckt, brach aus der Spitze ihres Stabes ein grünes Licht hervor, das den vor ihnen liegenden Gang gespenstisch erleuchtete.
Gemeinsam schlichen Elischa und Ayale durch das Verlies und sahen in jede einzelne Kammer und Zelle. Es befanden sich nur wenige Gefangene in den Zellen. Die meisten warenin den obersten Ebenen des Verlieses untergebracht. Offensichtlich hatten die Bewahrer in den vergangenen Sonnenwenden nur wenige Urteile verkündet und noch viel weniger Strafen mit der Gefangenschaft im Verlies geahndet. Das Verlies unter dem Haus des hohen Vaters war ein Ort, den Elischa am liebsten gemieden hätte. Es passte nicht zum ansonsten warm strahlenden Bild der Sonnenreiter. Alleine die Vorstellung an ein Leben in den kalten, feuchten und modernden Zellen ließ Elischa schaudern.
Elischa und Ayale kamen nur quälend langsam voran. Die heilige Mutter musste sich der Geschwindigkeit ihrer alten Ordensschwester anpassen, die wie eine Schnecke durch die Gänge kroch. Selbst wenn sie das Gefäß gemeinsam aufspüren sollten, könnte es ihnen bestimmt entkommen.
»Das Gefäß wird uns auslachen, sollte es uns beobachten «, dachte Elischa, die allmählich selbst müde von dem Schleichgang wurde. »Welch unglaubliche Jagd. So geht das nicht weiter!«
»Ayale, wir müssen schneller gehen«, trieb die heilige Mutter ihre Vertraute zur Eile an.
»Geh du nur voraus«, schlug Ayale vor, »ich folge deiner Spur und komme nach, so schnell ich kann.«
Elischa musste Ayale zurücklassen, wollte sie das Gefäß einholen. Der Donnerdornbaumstab schlug heftig aus, als die heilige Mutter in die unteren Ebenen des Verlieses kam. Sie wusste, dass sich die Grube hier unten befand, war jedoch selbst nie zuvor in diesem Bereich gewesen. Es war dunkel. Außer dem Licht ihres Stabes war weit und breit keine Lichtquelle zu finden. Die Gänge wirkten verlassen. Anscheinend war dieser Teil des Verlieses lange nicht mehr benutzt worden und man hatte alle Häftlinge längst in die oberen Ebenen verlegt. Doch der erste Eindruck täuschte. Ein Heulen, Kratzen und das Rasseln von Ketten aus einer Zelle in ihrer Nähe ließen der heiligen Mutter fast das Blut in den Aderngefrieren. Vorsichtig schlich Elischa weiter. Eine vergitterte Zellentür stand halb offen. Die Geräusche mussten aus dieser Zelle kommen. Elischa horchte, aber jetzt war es still. Mit zitternder Hand stieß sie die Tür auf, streckte ihren Stab vor und leuchtete in das Zelleninnere.
»Bei den Kojos!«, dachte sie erschrocken und unterdrückte einen Schrei. »Was ist das?«
Drei Kreaturen kauerten angekettet im hintersten Winkel der Zelle vor der Wand. Das Licht des Stabes blendete sie. Jammernd und kreischend zogen sie sich, so weit sie konnten, zurück und drückten sich, die krallenbewehrten Hände vor dem Gesicht, Schutz suchend aneinander, als Elischa die Zelle betrat.
»Das müssen Kriecher sein!«, dachte Elischa sofort, » Yilassa hat also nicht gelogen. Sie hat den Fluch weitergegeben und die Kriecher im Verlies angekettet. «
Elischa hatte Mitleid mit den Kreaturen, so scheußlich sie ihr auch vorkamen. Diese verlorenen Seelen waren die ärmsten Opfer des Bluttrinkerfluches. Bis zur Unkenntlichkeit entstellt und auf die niedersten Instinkte reduziert, vegetierten sie bis zu ihrer Erlösung dahin. Sie gehorchten ihrem Erschaffer, kannten ansonsten jedoch nichts außer ihrem unersättlichen Blutdurst. Die heilige Mutter war entsetzt. Ein solches Schicksal hatte niemand verdient. Würden sie freigelassen, trügen die Kriecher den Fluch weiter. Das durfte niemals geschehen. Zum Glück hatte der hohe Vater die Kriecher eingesperrt und angekettet.
Vorsichtig näherte sich Elischa den Kreaturen und streckte ihre Hand vor, um eines der Geschöpfe durch ihre Berührung zu beruhigen.
»Vielleicht steckt noch ein Funke Verstand und ein Teil eures alten Wesens in euch, den ich wachrufen kann«, hoffte Elischa insgeheim.
Das war kein guter Einfall. Die Kriecher schreckten hoch,zerrten ungestüm an ihren Ketten und schnappten nach ihr. Elischa zog ihre Hand weg und sprang erschrocken zurück. Dabei stolperte sie und fiel hin. Sabbernd und kreischend starrten die Kriecher sie an. Die
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