Kryson 05 - Das Buch der Macht
der Innenseite des Tores zeigen. Er wäre ohnehin jeden Augenblick bei ihnen.
Bevor Vargnar aus dem Tor trat, hielt er inne und nutzte die Gelegenheit, sich umzusehen. Die Wachen hatten die kaum sichtbare Veränderung im Stein nicht bemerkt. Der Felsenprinz hatte seinen Körper noch zurückgehalten und nur vorsichtig den Kopf vorgestreckt. Lediglich ein Teil seines Gesichts und die Augen lugten aus dem Stein des Torflügels. Er entdeckte vier Wachen. Eine Wache hatte sich in der Mitte platziert, während sich die übrigen drei am linken Flügel angeregt miteinander unterhielten. Vargnar beschloss, die Überraschung zu nutzen und sich um diese Gruppe zuerst zu kümmern. Die Verbindung mit den Steinen hatte ihm gutgetan. Der Felsgeborene fühlte sich ausgeruht und stark.
Mit einem Ruck löste er sich aus dem Tor und stürmte auf die drei Wachen los. Die Rachuren entdeckten die Gefahr zu spät und sie brauchten zu lange, um sich von ihrem ersten Schreck zu erholen. Ungläubig, mit weit aufgerissenen Augen und in Reglosigkeit erstarrt, empfingen sie ihren Gegner. Ein für sie fremdartiges Wesen aus Stein. Vargnar ließ ihnen keine Zeit, über seine Erscheinung nachzudenken und nach ihren Waffen zu greifen. Seine Schwerthiebe waren schnell und wuchtig, drangen durch Rüstung und Kleidung der Wachen und schlugen tiefe, tödliche Wunden.
Der Felsgeborene drehte sich nach dem ersten Angriff, um nach dem vierten Wächter zu sehen. Anders als seine Kameraden war dieser aus der Starre erwacht und hatte sich offensichtlich sofort zur Flucht entschlossen.
»Kluger Rachure« , dachte Vargnar erleichtert, »eine weiseEntscheidung, nicht gegen mich antreten zu wollen. Aber ich kann dich nicht laufen lassen, damit du Verstärkung herbeirufst.«
Der Felsgeborene setzte dem Rachuren sofort nach, holte ihn nach wenigen Fuß ein und streckte ihn, ohne zu zögern, von hinten nieder. Röchelnd sank die Wache zu Boden und spuckte Blut. Der Rachure drehte sich, um seinem Bezwinger aus sterbenden Augen ins Gesicht zu sehen.
»Wer … was … seid Ihr?«, stammelte die Wache, deren Stimme Vargnar wieder erkannte. Es war der Mann, der nur kurz zuvor Raymour abgewiesen hatte.
»Ich bin ein Burnter«, antwortete Vargnar.
»Ein Wesen der alten Völker?«, zeigte sich der Sterbende verwundert. »Warum … kommt Ihr in die Brutstätten und tötet uns?«
»Das ist eine lange Geschichte«, sagte Vargnar, »du würdest sie nicht überstehen.«
Kaum hatte er das letzte Wort gesprochen, kamen die Schatten und nahmen den Rachuren mit sich in ihr Reich. Ein eigenartiges Gefühl überkam den Felsgeborenen, als er den im Tod erstarrten Leichnam mit auf ihn gerichtetem vorwurfsvollem Blick betrachtete. Was hatte der Felsenprinz in den Brutstätten verloren? Die Rachuren waren nicht seine Feinde. Sie mochten Barbaren sein und Geschöpfe wider die Natur erschaffen. Sie waren eroberungslustig, brutal und grausam. Aber was kümmerte ihn das? Die Nno-bei-Klan waren nicht seine Verbündeten. Im Gegenteil, sie hatten die Altvorderen einst verdrängt. Dennoch war auch ihr Leben wert, geschützt zu werden. Er hatte für sie gekämpft und er hatte Sapius sein Versprechen gegeben, ihm in den Brutstätten zur Seite zu stehen. Sapius war ein Mitstreiter und ein Magier, durch dessen Adern das Blut der Altvorderen floss. Die Rachuren hatten sich gegen das magische Volk der Tartyk gewandt und die Drachenreiter dabei beinahe ausgelöscht. Dieser Frevel konnteden Felsgeborenen nicht gleichgültig lassen. Seine Entscheidung war richtig gewesen, er musste Sapius beistehen.
Vargnar fand den Hebel und öffnete das Tor. Langsam schwangen die schweren steinernen Flügel knarrend und krachend nach innen. Ungeduldig warteten Belrod und Raymour auf Einlass. Als sie Vargnar sahen und erkannten, dass er wohlauf war, fiel die Anspannung von ihren Gesichtern ab.
Raymour blickte sich um.
»Gute Arbeit, Felsenmann«, sagte der Rachure, »hätte ich dir nach den Erfahrungen unseres Kampfes nicht zugetraut.«
»Ich weiß«, antwortete Vargnar.
»Was wollen wir nun unternehmen?«, wollte Raymour wissen. »Willst du dir Rajurus Kreaturen ansehen?«
»Nein, deswegen sind wir nicht hier«, meinte Vargnar, »wir warten in der Nähe des Tores auf unsere Gefährten. Sobald sie eingetroffen sind, befreien wir die Sklaven.«
»Gefährten?«, Raymour zog überrascht die Augenbrauen hoch. »Davon hast du mir nichts gesagt, Felsenmann. Ich habe dich und deinen Freund in die Brutstätten
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