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Kryson 06 - Tag und Nacht

Kryson 06 - Tag und Nacht

Titel: Kryson 06 - Tag und Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Rümmelein
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zur Antwort hörte Nalkaar nur ein dumpfes Grunzen. Der Todsänger wirbelte herum. Murhab kämpfte gegen eine Flut von Schatten, die zornig nach ihm griffen.
    »Was ist los mit Euch«, rief Nalkaar, »Ihr müsst mir gehorchen. Lasst Murhab in Ruhe und gebt Madsick frei.«
    »Vergissss essss«, zischte eine tonlose Stimme, »der Flötenspieler gehört uns!«
    Ein Schattengesicht kam Nalkaar gefährlich nahe und starrte den Todsänger aus toten, grauen Augen wutentbrannt an.
    »Das geht nicht«, sagte Nalkaar, »ich werde ihn Euch nicht kampflos überlassen und auch Murhab nicht. Ich bin Nalkaar der Todsänger. Ihr werdet mir gehorchen.«
    »Nein! Nicht mehr! Nicht sssso … zwingt uns nicht …«
    »Bei den Kojos, was macht Euch so zornig?«, wollte Nalkaar wissen.
    »Ihr habt uns den Weg versperrt«, zischte der Schatten.
    »Welchen Weg?«, fragte Nalkaar verblüfft.
    »Den Weg in den Nebel des Vergessens«, antwortete der Schatten. »Ihr wollt uns für Eure Zwecke benutzen und uns die Belohnung für unsere Dienste verweigern. Der Tod ist heute nur ein erster Schritt in eine Welt, die noch viel grauer und grausamer ist als die der Lebenden, denn sie kennt keine Erlösung mehr. Wir haben die Ruhe und das Vergessen verdient. Gebt den Weg frei und ruft Euren Wächter endlich zurück!«
    »Ich verstehe nicht«, schüttelte Nalkaar den Kopf. »Ich habe nichts getan, was Euch den Weg in den Nebel des Vergessens verwehren könnte.«
    »Ihr lügt …«, fauchte der Schatten, »… ein Totenbeschwörer führt nur Böses im Sinn.«
    »Aber nein, welches Interesse sollte ich daran haben, Euch im Reich der Schatten zwischen Leben und Tod festzuhalten?«
    »Macht über die Schatten … eine Armee der Schatten, Kryssssson zu unterwerfen.«
    »Dafür brauche ich die Schatten nicht«, meinte Nalkaar überzeugt. »Mein Gesang sollte genügen, die Welt zu unterjochen«.
    Der Schatten lachte den Todsänger aus. Ein scheußliches, gackerndes Geräusch. Nalkaar war der Verzweiflung nahe. Ihm blieb wenig Zeit. Sein Gesang hatte die Schatten zwar heraufbeschworen, aber er war nicht in der Lage, sie im Zaum zu halten. Während er sich auf einen Streit mit dem Schatten eingelassen hatte, waren die übrigen Schatten weiter gegen seine Gefährten vorgegangen und hatten den Boten aus Krawahta inzwischen in ihr Reich gezogen. Sein toter Leib lag mit weit aufgerissenen Augen auf dem Boden. Nalkaar musste die Schatten zur Vernunft bringen. Schnell!
    »Ich verspreche, Nalkaar wird Euch helfen, wenn Ihr meine Gefährten gehen lasst.«
    »Den einen kannsssst du haben. Den anderen nicht!«, zischten die Schatten.
    Nalkaar wusste genau, wen sie damit meinten. Sie würden Madsick nicht mehr gehen lassen. Er konnte ihnen anbieten, was immer er wollte. Sie waren bereits zu weit gegangen. Noch hatten die Schatten nicht gewagt, Hand an Nalkaar selbst zu legen. Aber er fühlte, dass dies nur noch eine Frage der Zeit war. Nalkaar rief im Geiste nach seinen anderen Todsängern. Wenn sie sich zusammentaten und gemeinsam sangen, müssten sie stark genug sein, einen Schutzschild gegen die Schatten aufzubauen und das Portal in das Reich der Schatten wieder zu schließen.
    Er hatte den Gedanken kaum zu Ende gedacht, als bereits die ersten seiner Todsänger in das Zelt kamen und sich verwundert umsahen.
    »Singt!«, rief Nalkaar ihnen zu. »Ein Lied zum Schutz gegen die Schatten! Eins, zwei, drei.«
    Etwa dreißig Todsänger waren Nalkaars Ruf gefolgt und hatten sich in sein Zelt gedrängt. Sie standen dicht an dicht. Wie auf einen Befehl ölten sie gleichzeitig ihre Stummelzungen. Immer noch strömten Todsänger von draußen nach, fanden jedoch keinen Platz mehr im Zelt.
    Wir sind der Schild.
    Wir schließen das Tor.
    Wir trotzen den Schatten.
    Hinweg, hinweg, hinweeeeg.
    Wir sind der Schild.
    Wir schließen die Pforte.
    Verschwindet von diesem Orte.
    Hinfort, hinfort, hinfoooort.
    Siehst du den Tod?
    Siehst du das Leben?
    Fühlst du den Tag.
    Fühlst du die Nacht.
    Hinweg, hinweg, hinweeeeg.
    Wir sind der Schild.
    Wir schließen das Tor.
    Wir trotzen den Schatten.
    Das Lied verfehlte seine Wirkung nicht. Nebelschwaden wirbelten durch das Zelt und verbanden sich zu einer Einheit, von der die Schatten aufgenommen wurden. Immer mehr mussten von ihren Opfern ablassen und wurden in den Nebel gezogen. Doch an Madsick hielten die Schatten eisern fest. Sie kreischten und schlugen wild um sich und verscheuchten den Nebel.
    »Singt weiter!«, schrie Nalkaar. »Immer weiter.

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