Kryson 06 - Tag und Nacht
unangetastet war, wollte er sie von den Baumwölfen töten lassen. Starben sie in der Wirklichkeit, kehrten sie nicht mehr aus dem Reich der Schatten zurück, dachte er. Eines war ihm bei seinen Beobachtungen klar geworden. Der meist gleichbleibende Ablauf wies doch jedes Mal leichte Unterschiede auf. Es waren nur Kleinigkeiten, die kaum auffielen, einem erfahrenen Jäger wie Baijosto entgingen sie jedoch nicht. Die Veränderungen waren keine Wiederholung, kein Zeitsprung zurück in die Vergangenheit. Sie geschahen immer wieder aufs Neue und die Zeit schritt unaufhaltsam voran.
*
Der Drache musste landen. Sein Flug war zu unsicher geworden. Er hatte Mühe, sich mit Sapius auf dem Rücken in der Luft zu halten und den zahlreichen eisernen Monstern der Klan auszuweichen. Sie schienen ihn nicht einmal wahrzunehmen, wenn sie, dicke schwarze Rauchfahnen hinter sich herziehend, in hoher Geschwindigkeit an ihm vorbeidonnerten. Jafdabhs Vision war zurückgekehrt. Sapius hatte das Gefühl, als wäre sie jedes Mal ein kleines Stück stärker als zuvor. Sie würden warten müssen, bis sich die Vision des Todeshändlers wieder verflüchtigte.
»Wie ist ihr Name?«
, wollte Sapius wissen, nachdem sie gelandet waren und sich ein sicheres Versteck gesucht hatten.
»Wen meinst du?«
»Meine Tochter! Wie heißt sie? Demira hat ihr doch bestimmt einen Namen gegeben.«
»Ach … du meinst das kleine Mädchen mit den schwarzen Locken und dem unwiderstehlichen Lachen einer wunderschönen Prinzessin. Man kann gar nicht glauben, dass sie von dir abstammt«
, antwortete der Drache,
»sie wird Jennfa gerufen.«
»Jennfa? Das hört sich schön an. Wie kam Demira auf den Namen? Es ist kein traditioneller Name der Tartyk.«
»Was fragst du mich das? Frag deine Gemahlin. Sie wird sich schon etwas dabei gedacht haben. Wahrscheinlich gefiel ihr einfach der Klang des Namens. Und wie du weißt, bedeutet »Fa« Glück und »Jenn« im weitesten Sinne Drache in der Sprache der Altvorderen. Die kleine Jennfa ist also ein Glücksdrache.«
»Das ist … da wäre ich niemals drauf gekommen … ich bin gerührt«
, schniefte Sapius und wischte sich eine Träne aus dem Auge,
»möchtest du mir von ihr erzählen?«
»Du interessierst dich also für sie?«
, fragte Haffak Gas Vadar.
»Aber natürlich … sie ist doch meine Tochter! Was denkst du nur von mir«
, empörte sich Sapius.
»
Ich dachte, das Buch sei dir wichtiger. Aber gut«
, seufzte der Drache,
»wie ich schon sagte, sie sieht dir überhaupt nicht ähnlich. Ein großes Glück bei einem so hässlichen Vater.«
»Na, vielen Dank auch, Haffak«
, beschwerte sich Sapius,
»das wolltest du schon immer mal loswerden, nicht wahr?
«
»Jennfa ist ein umwerfendes Mädchen«
, fuhr der Drache fort,
»alle lieben sie. Sie ist die Hoffnung der Tartyk. Das erste neue Leben bei den Drachenreitern seit der Befreiung aus der Sklaverei. Sie ist immer fröhlich und lacht viel. Sie sprüht vor Leben und Energie. Ihr Tatendrang ist unglaublich, dabei hat sie gerade erst das Laufen gelernt. Und was macht sie mit ihren ersten Schritten? Sie geht auf einen der jungen Drachen zu und will sofort auf seinen Rücken klettern. Eines Tages wird sie eine großartige Drachenreiterin werden, Sapius. Die Drachen haben bereits jetzt mit ihr Verbindung aufgenommen, obwohl sie noch so klein ist.«
»Ich bin froh, das zu hören. Es macht mich sehr stolz. Ich kann es kaum abwarten, sie in meine Arme zu nehmen. Versprich mir eines, Haffak. Sobald wir in Kartak angekommen sind, kümmerst du dich um die Sicherheit der Drachenreiter. Bring Demira, Jennfa und die anderen weg von Ell.«
»Das hätte ich dir auch vorgeschlagen. Wir werden uns allerdings überlegen müssen, wie wir nach Fee zur Mutter aller Drachen kommen. Dort wären die Tartyk in Sicherheit. Die jungen Drachen sind noch nicht stark genug für einen Flug über das Meer. Ihre Kräfte reichen nicht. Ich kann nicht alle Drachenreiter nach Fee tragen. Das würde zu lange dauern und auch meine Kräfte wären bald erschöpft.«
Sapius überlegte, wie die Tartyk nach Fee gelangen könnten. Der Seeweg über das Ostmeer war lang, wahrscheinlich zu lang. Die Drachenreiter kämen nicht schnell genug voran. Sie würden nicht genügend Vorräte an Bord nehmen können. Die Tartyk müssten verhungern und verdursten. Da hatte Sapius plötzlich einen Einfall.
»Bring unser Volk an die Küste des Ostmeeres. Sie sollen für eine Weile am Fuß des Südgebirges siedeln und ein
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