Kubu und der Tote in der Wueste
seine Genitalien schmerzten, und das machte ihn wütend, sehr wütend. Er versetzte seinem Quälgeist mit aller Kraft einen Fausthieb ins Gesicht. Sein Opfer flog rückwärts gegen die Badewanne. Wäre er gegen die Kacheln geprallt, hätte er eine Gehirnerschütterung davongetragen. Doch unglücklicherweise fiel er rückwärts gegen den hervorstehenden Wasserhahn, schlug sich den Schädel ein und brach sich das Genick. Rotbart und seine Leibwachen drängten ins Bad. Der Boss starrte Sculo an, sagte aber nichts, bis er den Gefangenen untersucht hatte.
»Du hast ihn umgebracht, du Haufen Kuhscheiße! Wie kannst du so beschissen blöd sein?«
»Er wollte flüchten«, erklärte Sculo, doch angesichts seiner körperlichen Überlegenheit dem toten Mann gegenüber klang die Ausrede sogar in seinen Ohren ziemlich hohl. Rotbart hatte nicht übel Lust, den Schwarzen auf der Stelle umzubringen, aber er hatte genug mit einer unbequemen Leiche zu tun, die er loswerden musste. Die Strafe konnte warten. Eine Kugel in den Kopf in einem der Slumviertel Gaborones wäre viel eleganter. Er würde das mit Vergnügen selbst übernehmen.
Rotbart schwieg und dachte nach, während die anderen warteten. Schließlich wandte er sich an Sculo. »Zieh ihm die Klamotten aus. Dann warte. Rühr dich nicht vom Fleck!«
Damit marschierte er raus und knallte die Tür hinter sich zu. Sculo zog der Leiche den blutigen Jogginganzug, die Shorts und die Schuhe aus und warf den Körper in die Badewanne. Danach fragte er sich, ob er sich gar nicht bewegen oder nur das Bad nicht verlassen sollte. Irgendwann setzte er sich auf die Toilette.
Ein paar Minuten später schwang die Tür auf, und Rotbart kehrte zurück. Sein Gesicht war genauso rot wie sein Schnauzer. Ihm folgte ein hoch gewachsener Schwarzer mit einer Plane und einigen Werkzeugen. Er trug Blue Jeans, aber das T-Shirt eines Buschführers. Ohne ein Wort drückte Rotbart die Leiche in der Wanne flach und schlug ihr mit einem Hammer und einem Schraubenzieher die Zähne aus. Dann begann er, mit einem scharfen Fleischerbeil die Fingerspitzen abzuhacken. Sculos schwarzes Gesicht nahm einen leichten Grünton an.
»Stell dich nicht so an«, sagte Rotbart sarkastisch. »Macht viel mehr Spaß, wenn die noch leben! Bereite den Landy vor. Der Führer und ich machen einen kleinen Ausflug in den Busch.«
Dann drehte er sich noch einmal um zu der Schweinerei im Bad. Nachdem Sculo gegangen war, betrachtete er die Leiche eine Weile. Dann lächelte er. Er hob einen Arm an und legte ihn über den Badewannenrand. Mit dem Fleischerbeil hieb er knapp oberhalb des Ellbogens auf den Oberarm ein. Er fühlte, wie das Metall in den Knochen drang. Nach ein paar Schlägen änderte er seine Meinung. Vorsichtig schnitt er die Sehnen durch und sägte den Knochen an. Mit einer plötzlichen Bewegung stemmte er ein Knie gegen den Arm und lehnte sich mit seinem ganzen Gewicht darauf. Mit einem Knacken brach der Unterarm ab und baumelte lose hinunter, nur noch von ein paar Gewebsresten gehalten. Ein Ruck, und er war abgerissen. Rotbarts Blick fiel auf einen dicken Goldring an der anderen Hand des Toten. Er zog ihn ab und steckte ihn ein. Dann ging er hinaus, den Arm nahm er mit. Er war blutverschmiert, dämonisch – ein Roter Tod.
Fünfter Teil
UNEHRLICHE DIEBE
Hol`s der Henker, wenn Diebe nicht
ehrlich gegeneinander sein können!
SHAKESPEARE
König Heinrich IV.,
1. Teil, 2. Akt, 2. Szene
Kapitel 24
Der Sonntag war der einzige Tag, an dem Kubu und Joy nach halb sieben Uhr morgens noch im Bett lagen. Normalerweise gingen beide gegen sieben Uhr zur Arbeit. Sonntags stand Kubu nach dem Erwachen auf, hüllte sich in einen voluminösen Morgenmantel, holte den Sunday Stan dard von der Auffahrt, gab Ilia zu fressen, schenkte Orangensaft in zwei Gläser und kehrte ins Bett zurück, gefolgt von dem Foxterrier, der immer eine gemütliche Kuhle fand, in die er sich kuscheln konnte.
Kubu versuchte, den Sonntag wenn möglich als Familientag zu bewahren. Jeden Sonntagvormittag besuchten er und Joy seine Eltern in ihrem Haus am Rande von Mochudi, einem Dorf etwa fünfzehn Kilometer nördlich von Gaborone. Auch dieser Sonntag war keine Ausnahme. Gegen zehn Uhr begaben sie sich zu dritt auf die halbstündige Autofahrt. Wie immer fuhr Joy, Kubu entspannte sich, und Ilia stand auf dem Rücksitz, die Nase an einen kleinen Luftschlitz im Fenster gepresst. Der Verkehr war relativ ruhig, aber Taxen, Fahrräder und Fußgänger
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