Kuche Totalitar - Wladimir Kaminer
Schweine füttern. Ihre nationale ukrainische Küche entfaltet sich nur bei öffentlichen Feiern: Hochzeiten und Begräbnissen.
Jedes Jahr im Sommer bekommen die Ukrainer große Lust, Familien zu gründen. Jede Woche wird dann im Dorf geheiratet und gefeiert, später im Winter lassen sie sich wieder scheiden. Gestorben wird sehr selten, und wenn, dann einen gewaltsamen Tod. Die meisten Bewohner dort glauben an die heilende Kraft von Zwiebeln zum Frühstück, und solange sie daran glauben, funktioniert es auch.
Das wichtigste kulinarische Ereignis auf dem Lande ist die ukrainische Hochzeit, eine harte Prüfung für die ganze Sippe. Es gelten eiserne Regeln für die Vorbereitung eines solchen Festes. Mit weniger als vierhundert Gästen wird eine Hochzeit nicht von der Bevölkerung wahrgenommen und gilt als ungültig. Jeder Haushalt muss Besteck und Geschirr für mindestens zweihundert Personen parat haben, sonst würde die Familie nie eine Braut beziehungsweise einen Bräutigam für ihren Nachwuchs finden. Gut, die ukrainischen Teller und Tassen mögen nicht so aufwändig gestaltet sein wie die in Europa. Es reicht schon, einen tiefen Teller, eine Gabel und ein Schnapsglas pro Gast zu besitzen. Manchmal kommt noch ein Löffel dazu. Wenn aber ein ganzes Bataillon von Gästen erwartet wird, kann auch der freundlichste Gastgeber überfordert sein.
Sobald der Hochzeitstag feststeht, kommen alle Hausfrauen aus der Nachbarschaft zusammen, um die Aufgaben untereinander aufzuteilen: Wer backt das Brot, wer macht die Blutwurst, wer ist für »Sweschanka« verantwortlich, das gebratene Frischfleisch mit Zwiebeln. Zwei Schweine werden in der Regel für die Zeremonie geopfert und vollständig bis auf die Haut zu verschiedenen Gerichten verarbeitet. Aus Kartoffeln werden »Draniki« gebacken, dünne Reibekuchen, die Genia lange Zeit für eine Besonderheit der ukrainischen Küche hielt und sehr überrascht war, als sie welche in einem deutschen Imbiss am Kölner Hauptbahnhof entdeckte. Wie die ukrainischen Draniki es bis nach Nordrhein-Westfalen geschafft haben, hat sie noch nicht herausbekommen. Anscheinend existierte im frühen Mittelalter eine Verbindung zwischen den Kulturen der beiden Länder. Anders als die Rheinländer würden die Ukrainer ihre Kartoffelpuffer jedoch niemals mit Apfelmus essen, sondern nur mit »Smetana« (Schmand).
Die ukrainische Hochzeit findet immer draußen an der frischen Luft statt. Tische und Bänke werden zu einer langen Reihe zusammengestellt. Als Erstes kommen selbst gebrannter Schnaps in Zwei-Liter-Flaschen sowie eingelegte Tomaten und Gurken auf den Tisch, außerdem eine frisch gebackene Polaniza – ein Brötchen von etwa einem halben Meter Durchmesser. Es wird mit den Händen auseinander gerissen und in riesengroßen Stücken verspeist.
Zu Anfang wird auf ein langes und glückliches Leben des Brautpaares angestoßen und dann bis zum Umfallen gegessen. Alles, was die Frauenbrigade mehrere Tage lang zubereitet hat, muss von den Gästen vernichtet werden. Es gibt bei ukrainischen Hochzeiten eigentlich nur einen Gang, aber der kann bis zu drei Tage dauern. Das gemeinsame Essen darf nur von Trinksprüchen und kurzen Prügeleien unterbrochen werden, die sich in regelmäßigen Abständen am Tisch ereignen. Zwischendurch wird auch noch getanzt und gesungen. Die gesamte Zeremonie wird in der Regel von einem Orchester begleitet, das folkloristische und moderne Hochzeitslieder in einer Endlosschleife zum Besten gibt. Jedes Jahr macht in der Ukraine ein neuer Hochzeitshit die Runde. Zurzeit ist es eine vom Volk geliebte Pop-Ballade mit dem umständlichen Titel: »Der Rauch deiner Mentholzigarette«. Das wird sich sicherlich im nächsten Jahr ändern. Bis es aber so weit ist, singen Alt und Jung im Chor den Refrain mit:
Du bist mit einem anderen zusammen Ich tröste mich bei fremden Damen Doch jedes Mal, wenn ich ‘ne Fremde küsse Denke ich an dich, du meine Süße Wie eine Wolke steht vor meinen Augen Der Rauch deiner Mentholzigarette Yeah, yeah, yeah…
Ukrainische Küche
Alle Zutaten sind für vier Personen berechnet. (Achtung Knoblauch!)
Vorspeisen
Rote Bete mit Knoblauch
Zutaten:
600 g Rote Bete, 1 Zwiebel, 1 Gurke, 4 Knoblauchzehen, 100 g Pflanzenöl oder Mayonnaise, 1 TL Essig, Pfeffer, Salz
Zubereitung:
Variante A: Rote Bete waschen, kochen, abkühlen, schälen, in Würfel schneiden und in Öl anbraten. Den Knoblauch zerkleinern, Zwiebel klein hacken und mit Essig
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