Kuckuckskind
wollen Tennis spielen. Björn macht mir schöne Augen und bedauert heftig, dass ich nicht eher aufgekreuzt bin. Ob ich am Donnerstagnachmittag schon etwas vorhabe?
»Bedauere, da habe ich meine Spanisch- AG «, sage [179] ich freundlich und werde sofort bewundert, dass ich dieser Sprache mächtig sei.
»Kaum der Rede wert«, sage ich. »Für einen Anfängerkurs reicht es so eben. Eine Handvoll Schüler aus der 10. und 11. Klasse, die mit ihren Eltern im Sommer nach Spanien fahren, wollen sich ein bisschen darauf vorbereiten. Das hat sogar meine alte Mutter getan, bevor sie Weihnachten auf Ibiza verbrachte.«
Birgit hat ja schon recht, schießt es mir durch den Kopf, man muss die Fremdsprachenkenntnisse immer wieder auffrischen, mein klägliches Spanisch habe ich seit über zehn Jahren nicht mehr angewendet.
»Unser Anja isch a Cleverle«, sagt Anselm zu Björn, »nebe dera kannsch einpacke mit deim Latein!«
Sekundenlang befürchte ich, dass sich fremde Leute auf die leer gewordenen Stühle setzen wollen, weil ich angesprochen werde: »Ist hier noch frei?«
Ich schaue auf. Vor mir steht Steffen mit einem Kinderwagen und strahlt mich an. Natürlich muss ich jetzt gute Miene zum bösen Spiel machen und das Baby bewundern. Es sieht ganz anders aus als auf dem Foto, ich überschlage, wie alt es mittlerweile sein mag.
»Wo ist Birgit?«, frage ich anstandshalber.
[180] »Beim Zahnarzt, das dauert wahrscheinlich lange«, sagt Steffen. »Sie hat Ärger mit einem entzündeten Weisheitszahn. Übrigens – ich weiß gar nicht recht, wie ich es ausdrücken soll –, ich glaube, sie würde sich wahnsinnig freuen, wenn du sie mal besuchen kämest. Ihr seid doch Kolleginnen und eigentlich auch Freundinnen, sie vermisst dich wirklich und hat sich schon den Kopf darüber zerbrochen, warum du dich so zurückgezogen hast…«
Er stockt, sieht mein verschlossenes Gesicht und wechselt lieber das Thema: »Und was sagst du zu unserem Prachtkind?«
Dabei habe ich gerade schon »ist der aber süß« gesäuselt, aber das war wohl nicht enthusiastisch genug. »Hinreißend, ganz die Mama«, behaupte ich also aufs Geratewohl.
Steffen schüttelt den Kopf. »Das siehst du falsch«, findet er. »Alle sagen, dass er mir wie aus dem Gesicht geschnitten ist.«
Nun betrachte ich das kleine Wesen etwas aufmerksamer. Es hat tiefbraune Augen und fast schwarze Haare, die es ja nicht vom strohblonden Steffen und der kastanienbraunen Birgit haben kann. Ich mache den stolzen Vater darauf aufmerksam.
»Augen- und Haarfarbe können sich noch ändern«, belehrt er mich. »Aber schau doch mal! Mein Mund, meine Nase, meine Kopfform!«
[181] Auch das stimmt nicht. Steffen hat einen viel größeren Mund und einen länglichen Schädel, das Baby einen kugelrunden. Ich ärgere mich über seine Verstocktheit und reagiere gereizt. »Das ist niemals dein Kind«, sage ich, »das sieht doch ein Einäugiger ohne Brille! Außerdem habe ich es schon längst befürchtet!«
Steffen starrt mich fassungslos an. »Anja, weißt du überhaupt, was du mit solchen Worten anrichtest? Deine Zweifel hatten mir schon schwer zu schaffen gemacht, nun war ich endlich darüber hinweg, da fängst du schon wieder damit an. Wenn ich ganz ehrlich bin, frage ich mich ja manchmal selbst, ob es wirklich mein Sohn ist…«
Mir tut er jetzt ein bisschen leid, ich hätte – verdammt noch mal – meinen vorlauten Mund halten sollen. »Nimm mein dummes Geschwätz nicht so ernst«, sage ich versöhnlich. »Es ist bestimmt dein Kind, ich kenne mich mit Babys nun mal nicht aus. Aber um deine Zweifel ein für allemal aus der Welt zu räumen, solltest du einen Vaterschaftstest machen lassen. Dann ist endlich Ruhe im Karton.«
Er überlegt. »Und wie soll ich das anstellen, ohne dass Birgit etwas davon merkt? Ich würde sie mit meinem Verdacht ja wahnsinnig kränken!«
»Ist doch ganz einfach«, sage ich. »Man schickt eine Probe von Vater, Mutter und Kind an ein [182] molekularbiologisches Labor und bekommt im Handumdrehen Bescheid. Davon braucht Birgit überhaupt nichts zu erfahren. Soweit mir bekannt ist, genügen ein Abstrich der Mundschleimhaut oder ein Schnuller, eine Zahnbürste oder ein paar Haare. Die Sicherheit der DNA -Analyse soll 99% betragen, da gibt es keine quälende Ungewissheit mehr.«
»Aber wie kommt man ganz diskret an eine solche Adresse?«, fragt Steffen, und ich verweise aufs Internet.
Mit einem Ruck steht er plötzlich auf und behauptet, es seien bloß theoretische
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