Kuckuckskind
mich warnen wolltest!«, sagte Gernot ironisch. »Aber ich hätte Steffen wohl rasch davon überzeugt, dass das Kind nicht von mir sein kann.« Er beugte sich noch einmal über den Korb und fasste den Kleinen scharf ins Auge. »Ähnlich sieht mir dieser Knabe sowieso nicht!«
»Ein Vaterschaftstest deinerseits wäre wahrscheinlich die eleganteste Lösung«, überlegte ich und gab zum zweiten Mal meine Kenntnisse über Genanalysen weiter. »Ich könnte dir zum Beispiel eine gebrauchte Windel mitgeben! Abgesehen davon sollte dir der Urologe ein Attest ausstellen, damit du Steffen deine Sterilität beweisen kannst.«
»Ich denke gar nicht daran«, sagte Gernot erbost. »Du tust auf einmal so, als säße ich auf der [210] Anklagebank! Außerdem hätte Birgit mir gegenüber mit Sicherheit eine Andeutung gemacht, wenn sie mich als möglichen Vater in Betracht gezogen hätte.«
»Das glaube ich nicht. Sie hätte sich in einem solchen Fall niemandem anvertraut. Übrigens, wie war Birgit eigentlich…«
»Du meinst wahrscheinlich, wie sie im Bett war. Ach, Anja, bist du immer noch so neugierig! Im Grunde geht dich das überhaupt nichts an, doch wenn es deinen Forschungsdrang befriedigt – es war für mich keine Offenbarung. Ich hatte immer das Gefühl, dass die hübsche Birgit letzten Endes eine enttäuschte Frau ist. Bestimmt bin ich nicht der Erste und auch nicht der Letzte, mit dem sie sich einließ.«
Das war mir schon lange klar. Aber war ihr Ehemann so naiv, dass er keine Ahnung davon hatte? Immerhin hatte er von ihrer früheren Affäre mit einem Kollegen Wind bekommen.
»Soll ich uns einen Kaffee machen?«, fragte ich, denn mir knurrte hörbar der Magen. In der Küche konnte ich mir klammheimlich ein Stück Käse einverleiben.
Der verschnupfte Gernot wollte lieber einen Tee und eine neue Packung Papiertaschentücher.
Als ich die Tassen hereingebracht hatte, griff er [211] nach meiner Hand und wurde sentimental. »Anja, die beste Zeit in meinem Leben habe ich mit dir verbracht. Was waren wir doch für ein gutes Team! Könntest du dir nicht vorstellen, dass wir wieder zusammenfinden? Unser Häuschen hat seine Seele verloren, der Garten verdorrt, und ich bin ein einsamer, trauriger Mann.«
…der unsere gemeinsame Freundin flachlegt und mit ihr nach Draguignan reist, dachte ich.
Immerhin wurde meine Stimmung durch Gernots Leidensbericht etwas versöhnlicher. »Ich werde es mir mal durch den Kopf gehen lassen«, sagte ich. Von Patricks Existenz wusste mein Exmann offensichtlich noch nichts, aber über kurz oder lang sollte er es erfahren.
»Wenn dieser Kleine nun unser Kind wäre«, begann er wieder, »dann könnte noch alles gut werden.«
Jetzt reichte es mir, ich empfand seine Worte als kitschig und plump. »Erstens habe ich einen neuen Freund«, platzte ich heraus, »zweitens wird dieses Würmchen hoffentlich bald von deinem Betthasen abgeholt. Der Muttertrieb ist bei allen Säugetieren stark.«
»Säugetiere?«, fragte Gernot verständnislos, trank kopfschüttelnd seinen Tee aus, verabschiedete sich betont förmlich und ließ mich mit meinem [212] schlechten Gewissen allein. Warum war ich immer so unduldsam, so selbstgerecht, schroff und kratzbürstig?
Etwas verunsichert schleppte ich den Waschkorb samt Inhalt die Treppe hinunter. In der Küche wurde mein Essen im Backofen warm gehalten, aber ich hatte den Appetit verloren.
Patrick sah mich fragend an, ich zuckte nur mit den Schultern und strich mit der Handfläche über seinen stoppeligen Schädel.
»Könntest du nicht noch einmal versuchen, diesen Steffen zu erreichen«, bat er. »Mit einem neuen Strampelanzug ist es nicht getan. Wir brauchen einen Schlafsack, Bodys, ein Jäckchen, Lätzchen und Hemden! Am besten auch einen Kinderwagen.«
»Ich habe es schon x-mal versucht, Steffen treibt sich irgendwo in der Welt herum. Vielleicht könnte man für Victor ein paar Sachen ausleihen, lass mich mal überlegen, wer von meinen Schülern kleine Geschwister hat.«
Manuel war gerade hereingekommen. »Im Secondhandshop kriegt man den Kinderkram am günstigsten. Und Saras Schwesterchen ist neulich zwei geworden. Vielleicht hat ihre Mutter die Babykleidung aufbewahrt, soll ich mal fragen?«
Patrick nickte, Manuel rief seine Freundin an und machte sich dann gleich auf den Weg.
[213] »Er ist fast jeden Tag bei seiner Sara«, sagte ich, »manchmal auch bis spät in die Nacht. Bist du sicher, dass du nicht plötzlich Opa wirst?«
»Erstens glaubt Manuel nicht
Weitere Kostenlose Bücher