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Kuckucksmädchen

Kuckucksmädchen

Titel: Kuckucksmädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Lohmann
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Jetzt.
    Â»Es tut mir leid, dich darauf hinweisen zu müssen«, schäkert Ilya zurück, »aber du warst diejenige, die mich unbedingt dieses Wochenende treffen wollte.«
    Â»Ich weiß, ich weiß. Was sagt eigentlich deine Freundin dazu?«
    Ilya zuckt mit den Schultern und klingt plötzlich ein bisschen ernster:
    Â»Lass uns nicht darüber reden.«
    Ich bin verdammt noch mal die Allerletzte auf diesem Planeten, die irgendjemanden dazu bringen wird, in Beziehungsfragen Tacheles zu reden. »Kein Problem.« Ich stehe auf und schlendere zu den Himbeerbüschen. »Aber verlieb dich bloß nicht in mich.«
    Schon lange wünsche ich mir eine von Psychologen oder anderen Göttern programmierte Exceltabelle, mit der sich zweifelsfrei feststellen lässt, ob und ab wann etwas den Namen Liebe verdient hat, wie groß diese Liebe genau ist und wie lange sie voraussichtlich dauert. Ich stelle mir das so vor, dass verschiedenste Parameter abgefragt werden, vielleicht einhundert Fragen beantwortet werden müssen (Können Sie Ihren Partner ertragen, wenn er morgens aufwacht? Mögen Sie die Art, wie er atmet?) und das Ergebnis am Ende im kleinen weißen Kästchen der rechten Exceltabellenecke zu finden ist: Sie haben ein Ergebnis von hundertachtundzwanzig Punkten. Ab einer Punktzahl von hundertundzehn spricht man von Liebe. Herzlichen Glückwunsch, Sie fühlen genug und können das Ergebnis ab sofort in die Welt herausschreien.
    Es muss diese Liste irgendwo geben, sonst gäbe es nicht so viele Paare, die Tag für Tag mit größter Sicherheit und Selbstverständlichkeit von Liebe sprechen. Ich beneide diese Leute sehr um ihre Tabelle.
    Als ich mich umdrehe, erwische ich Ilya dabei, wie er mir auf den Arsch schaut. Die Hände voller Himbeeren, setze ich mich im Schneidersitz zurück auf die Decke. »Es stört dich also nicht, wenn ich noch ein bisschen bleibe?«
    Ilya packt meinen Arm, beugt sich nach unten und futtert die Früchte aus meiner Hand. »Es wäre mir eine Ehre, liebste Wanda. Aber verlieb dich bloß nicht in mich …«
    Mit der linken Hand lasse ich mir ein paar Himbeeren in den Mund fallen. »Versprochen«, antworte ich, und wir grinsen uns an und sind nicht sicher, ob die Unsicherheit hinter unseren rot verschmierten Gesichtern noch zu erkennen ist.
    Gegen Nachmittag plündern wir in guter alter Tradition das Weinregal von Ilyas Mutter und setzen uns mit einem Spätburgunder auf die breite Holztreppe, weil wir keine Lust auf noch mehr Sonne haben. »Erinnerst du dich eigentlich an unseren Pakt?«, fragt Ilya, während er auf meine zerkratzten nackten Beine starrt.
    Â»Wir hatten einen Pakt?«
    Â»Ja. Die Idee kam sogar von dir!«
    Â»Hilf mir mal.«
    Â»Wenn wir beide dreißig sind und keinen passenden Partner gefunden haben, wollten wir uns einfach gegenseitig heiraten.«
    Ich muss lachen: »Ich glaube, diesen Pakt habe ich mit mehreren Männern geschlossen, tut mir leid.«
    Â»Schon gut. Eigentlich sind wir ja auch beide vergeben.«
    Sind wir das wirklich?
    Ilya packt sich meinen linken Fuß und streichelt über die verkrusteten Schnittwunden an meinen Unterschenkeln. Die Unsicherheit von heute Vormittag weicht Stück für Stück dem Rotwein.
    Ich könnte jetzt einfach hierbleiben. Ich mag Ilya. Ich habe ihn mal geliebt. Das könnte ich bestimmt noch mal.
    Â»Ich hol mal mehr Wein«, sagt Ilya und poltert die Treppe hinunter.
    In Gedanken laufe ich zum kleinen Edeka an der Ecke und kaufe mir die paar Sachen, die ich brauchen würde, um noch länger hier zu wohnen. Viel wäre es nicht. Zwanzig Euro würden ausreichen, und wir könnten ein paar Tage lang einfach »früher« spielen. Es würde mich wundern, wenn das Herz sich nicht für diese Idee begeistern könnte.
    In meiner Rocktasche spielt das Handy schon wieder den Klingelton von Jonathan. Zum vierten Mal heute. Gerne würde ich dieses Klingeln noch ein paar Stunden ignorieren. Aber es geht nicht. Ich habe die Grenzen ausgereizt und Angst davor, dass er nie wieder anruft.
    Â»Hallo, Jonathan«, flüstere ich.
    Er antwortet nicht, er begrüßt mich nicht, er schweigt eine Weile, und ich halte es aus. Nach einer gefühlten Ewigkeit fragt er endlich:
    Â»Wo bist du?«
    Â»In Köln.«
    Â»Bei deinem Vater?«
    Was für eine gute Gelegenheit für eine

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