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Kuckucksmädchen

Kuckucksmädchen

Titel: Kuckucksmädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Lohmann
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hat, findet man schon ein Katzenauge.«
    Â»Ich sehe, du kennst dich aus. Auf jeden Fall fängst du an, die Teile ineinanderzufügen, du hast erste Erfolgserlebnisse, und die zusammenhängenden Flächen werden immer größer. Aber da ist dieses eine Teil, das du nun schon dreimal hin und her geschoben hast. Denn irgendwie passt der Farbton nicht so richtig, und irgendwie weißt du nicht genau, wo es hin soll. Es könnte eventuell zum Himmel gehören, denkst du, und drückst es an eine Stelle, für die du gerade nichts Passenderes findest. Aber du musst ziemlich doll drücken, damit es sich an das Nachbarstück anfügt, und jetzt siehst du, dass der Rand nicht ganz abschließt. Du nimmst es wieder weg, und du puzzelst woanders weiter und weiter, und alles findet sich, nur dieses eine einzige Teil schiebst du von links nach rechts und weißt nicht, wohin damit. Und dann drehst du es um und dir fällt auf, dass die Pappe, auf die es gepresst wurde, ein anderes Grau hat als die restlichen Rückseiten der Puzzlestücke.«
    Â»Ups«, sagt Ilya. »Fremdes Puzzlestück im falschen Kasten.«
    Â»Richtig. Fremdes Puzzlestück im falschen Kasten. And guess what? Dieses Puzzlestück bin ich.«
    Â»Verstehe. Und wie viele Puzzlekästen hast du im Rahmen deiner Projektreihe nun schon untersucht?«
    Â»Du bist der Dritte.«
    Â»Okay. Wie viele hast du noch vor dir?«
    Ich seufze. »Einen. Aber ich überlege, das Projekt vorzeitig zu beenden.«
    Â»Um dich endlich in den Puzzlekasten zu begeben, in den du gehörst?«
    Â»Das ist es ja. Ich weiß nicht, wo ich hingehöre. Aber da gibt es andere, die es offensichtlich für mich mit wissen. Nur habe ich keine Ahnung, ob ich denen glauben kann.«
    Ilya zuckt mit den Schultern. »Dann schau dich doch weiter um. Was ist denn das Problem?«
    Â»Das Problem ist, dass ich plötzlich mehr Verantwortung habe als früher. Und zwar nicht nur für mich, sondern auch für meinen Freund. Denn wenn ich es nicht ernst meine, wenn ich mir nicht sicher bin, dann sollte ich nicht länger seine Zeit vergeuden. Dann ist der Spaß langsam vorbei.«
    Â»Und das war früher anders?«
    Â»Klar war das früher anders. Da war doch alles nur Spiel, verstehste? Aber heute muss ich auf einmal sicherer sein als früher. Und das stresst mich.«
    Â»Weil jetzt die Nestbauphase eintritt und du ihm noch die Chance geben willst, ein anderes Weibchen zu finden?«
    Â»Richtig. Und weil es vielleicht einen anderen Vogel gibt, mit dem ich viel lieber über den Eiern brüten würde.«
    Â»Mädchenprobleme«, sagt Ilya und winkt ab.
    Â»Kuckucksmädchenprobleme«, verbessere ich ihn leise.
    Â»Was?«
    Â»Ach, nichts«, antworte ich und streichle ihm über den Kopf. »Ich geh dann mal meine Sachen packen.«
    Ein paar Stunden später schon stehen wir am Kölner Hauptbahnhof und warten auf den Zug nach Hamburg. Meinen Eltern habe ich gar nicht erst Bescheid gesagt, dass ich da war. Und jetzt ist es zu spät.
    Ich weiß nicht, was es ist, was ich an Köln so mag. Vielleicht, dass es die einzige Stadt ist, die dir nicht böse ist, wenn du weggehst, und dich mit offenen Armen empfängt, wenn du wieder kommst. Vielleicht, dass die Mädchen mit den Jeansjacken und den roten Lippen hier so wunderbar echt aussehen. Vielleicht, dass die Lieder über diese Stadt nicht so selbstverliebt sind. Sondern genau die richtige Mischung aus Melancholie und Selbstbewusstsein enthalten.
    Der Kölsche Singsang, in dem die Fahrplanauskünfte aus den Lautsprechern kommen, ruft mir außerdem die Stimme meiner Großmutter ins Gedächtnis. Wenn alles nach Plan gelaufen ist, ist ihre Wohnung jetzt leer.
    Â»Du musst nicht warten«, sage ich zu Ilya, weil ich es hasse, Abschiede damit zu versauen, dass man sich in den letzten vier Minuten nichts mehr zu sagen hat. Auch er scheint erleichtert. Wir umarmen uns nicht, Ilya drückt nur fest meine beiden Hände zwischen seine.
    Â»Schön, dass du da warst. Auch wenn es dabei nicht wirklich um mich ging.«
    Â»Schön, dass du trotzdem ein bisschen Spaß hattest«, antworte ich augenzwinkernd. Er nickt und lässt meine Hände los.
    Â»Dann mach’s mal gut, Wanda, du wandelndes Puzzleteil.«
    Â»Ich versuch’s.«
    Und erst, als er sich schon umgedreht hat und dreieinhalb Schritte gegangen ist,

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