Küchenfee
schließlich »Lilli’s Kochstudio«.
»Ohne Apostroph«, murmelte Lilli.
»Wie meinen Sie?«, fragte Müllerschön irritiert.
»Das wird ohne Apostroph geschrieben. Lillis, meine ich. Kein Apostroph. Da haben Sie Ihre intellektuelle Herausforderung.«
»Oho! Da nimmt es aber jemand ganz genau, hahaha. Wollen wir mal hoffen, dass sich nicht noch mehr Fehler eingeschlichen haben«, rief Müllerschön. Er wirkte mittlerweile etwas angestrengt.
Lilli blätterte weiter.
Viel Grafik, viel Geschwafel, jede Menge Marktforschung. Drei Entwürfe für die Studiodekoration. Die Sendezeit sollte wochentags von achtzehn Uhr dreißig bis neunzehn Uhr sein. Das Konzept erinnerte sehr an die anderen Kochsendungen, die beinahe täglich im Fernsehen liefen: locker, lässig, volksnah. Einfache Rezepte mit verblüffender Wirkung sollten es sein, für jederman zum Nachkochen. Das Alter der Zielgruppe lag etwas über der der zahlreichen »Jungen Wilden«, die offenbar die Zwanzig- bis Dreißigjährigen abdeckten. Überhaupt wurden die etablierten Fernsehköche oft als Vergleich bemüht.
Auf der letzten Seite wurden erste Entwürfe für zukünftige Verkaufsschlager der geplanten Sendung präsentiert: Tassen und Schürzen mit Logoaufdruck, Kochwerkzeug und diverse andere Dinge. Selbst den Umschlagentwurf für ein Kochbuch gab es bereits.
Lilli blickte auf und stellte fest, dass alle sie immer noch gespannt ansahen.
»Und? Was sagen Sie?«, fragte Tom Brinkmann und rückte seine modisch getönte Brille zurecht.
»Sie sind genau die Richtige für uns!«, rief Elfi Koslowski enthusiastisch. »Wir suchen schon lange nach einem Gesicht für unsere Idee. Und als wir Ihr Interview gesehen haben, da wussten wir sofort …«, sie blickte in die Runde ihrer Kollegen, die eifrig nickten, »… nicht wahr, es war uns sofort klar, dass wir Sie unbedingt haben wollen, ehe jemand anderer Sie uns wegschnappt.« Wieder nickten die anderen am Tisch und murmelten Zustimmung.
»Tja, was soll ich sagen?«, erwiderte Lilli. »Ich verstehe immer noch nicht so ganz, was Sie sich von mir versprechen. Ich habe keinen Namen in der Kochszene. Ich habe noch nicht einmal ein eigenes Restaurant – im Gegensatz zu sämtlichen anderen Fernsehköchen. Ich habe nur einen kleinen Catering-Service, der gerade mal ein halbes Jahr alt ist. Ich bin recht erfolgreich damit, das ist richtig. Aber das liegt nicht an mir allein. Ich habe eine Geschäftspartnerin, die einen mindestens ebenso großen Anteil an unserem Erfolg hat, meine Freundin Gina Wilhelmi. Sie ist für die Dekoration zuständig.« Sie nickte Andreas Schulze zu. »Sie haben vorhin ja selbst die Arcimboldo-Bilder angesprochen und die spektakuläre Wirkung des Standes. Das bin nicht ich. Das ist Gina. Ich kann Gina in Ihrem Konzept an keiner Stelle entdecken.«
»Meine liebe Frau Berger«, sagte Müllerschön, »sagen Sie uns doch bitte erst einmal, wie Ihnen unser Konzept gefällt, hm?«
»Herr Müllerschön, ich bin Teil eines Teams, verstehen Sie mich? Wenn überhaupt, dann würde ich gern etwas mit Gina zusammen machen.«
Müllerschön starrte Lilli an, als hätte er in seinem Leben noch nie so etwas Unvernünftiges zu hören bekommen. »Aber Frau Berger, wir bieten Ihnen eine eigene Sendung an. Verstehen Sie, das Konzept gibt es schon länger und ist nur für eine Person gedacht. Wir bringen Sie groß raus!«
Müllerschön schien zu begreifen, dass er von Lilli den erhofften Freudenausbruch nicht mehr erwarten konnte, auch nicht mit Verspätung. Seine für einen kurzen Moment entgleisten Gesichtszüge offenbarten einen Pulsschlag lang sein wahres Alter, bevor er sich wieder unter Kontrolle hatte und ein optimistisches Grinsen zeigte.
»Herr Müllerschön, ich kann das hier jetzt nicht übers Knie brechen«, sagte Lilli freundlich, aber bestimmt. »Ich fühle mich durchaus geschmeichelt, dass Sie mir dieses Angebot machen. Aber welcher Zeitaufwand kommt auf mich zu? Was ist mit meinem Geschäft? Ich habe nicht vor, mein Unternehmen aufzugeben.«
»Aber das ist doch jede Menge Werbung für Sie, Frau Berger. Und der zeitliche Aufwand hält sich in Grenzen. Sie müssten ja nicht jeden Tag hier ins Studio kommen. Das stellt sich für Laien oft so dar, ich weiß.« Müllerschön lachte. Er schien sich wieder sicherer zu fühlen.
»Und wenn Sie dann erst einmal freitags in die Sendung vom Kerner eingeladen werden und neben Lafer stehen – das ist doch was! Interviews, Kochbücher … Sie werden ein
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