Küchenfee
Kati wütend. »Sie plärrt uns ständig die Ohren voll, was sie alles unbedingt haben muss und wie Scheiße sie es findet, dass sie nicht mehr sofort alles kriegt, was sie will. Allmählich geht sie mir tierisch auf die Nerven. Sie will doch so erwachsen sein, dann soll sie sich auch so benehmen.«
»Aber sie ist noch nicht erwachsen, Kati. Und selbst wenn man erwachsen ist«, Gina seufzte, »selbst dann versteht man nicht alles, glaub mir.« Sie schob ihren Stuhl zurück und stand auf. »Komm, wir krempeln jetzt die Ärmel hoch. Und hoffen, dass Mike nicht absagt.«
Lilli lag in einer riesigen Marmorwanne, in der warmes Wasser sprudelte, das mit Salzen aus dem Toten Meer angereichert war. In der Hand hielt sie ein Glas Sekt. Von der Decke wurde sie mit Höhensonne bestrahlt. Auf dem Rand der Wanne stand ein Teller mit Früchten, die in mundgerechte Happen zerteilt waren. Aus Lautsprechern, die hinter üppigen Grünpflanzen verborgen waren, drang leise klassische Musik. Der Raum duftete nach Lavendel und Orange.
Lilli räkelte sich wohlig in dem warmen Wasser, trank kleine Schlucke von dem Sekt und hing ihren Gedanken nach. Wie nett von Kati und Gina, ihr diesen Tag zu schenken. Sie selbst wäre nie auf die Idee gekommen, denn seit Wochen stand einzig und allein die Arbeit ganz oben auf ihrer Prioritätenliste. Und natürlich half ihr die dauernde Beschäftigung, sich abzulenken – von Armin, von ihrer zerstörten Ehe, von ihrer Verzweiflung. Aber wenn sie ehrlich mit sich war, musste sie sich eingestehen, dass eine Versöhnung mit Armin nicht mehr stattfinden würde. Sie konnte ihm nicht mehr vertrauen, nie wieder.
Sie schreckte auf, als eine Mitarbeiterin des Wellness-Centers in den Raum gestöckelt kam. Die junge Frau war perfekt geschminkt und hatte eine Figur wie ein Topmodel. Wie auch ihre Kolleginnen trug sie eine Art Uniform bestehend aus einem pfirsichfarbenen, knapp sitzenden Kittel und einem farblich passenden Haarband. Sie sah überaus appetitlich aus.
»Frau Berger? Ich bin Candy, ich werde Sie heute durch Ihr Wohlfühlprogramm begleiten. Geht es Ihnen gut bisher?«
»Wunderbar, alles perfekt«, sagte Lilli zufrieden.
»Ich bringe Sie jetzt zu Ihrer Ayurveda-Behandlung. Fühlen Sie sich erfrischt?«
Lilli stieg aus der Wanne und schlüpfte in den flauschigen Bademantel, den die junge Frau ihr hinhielt. »Danke, Candy, ich fühle mich wunderbar. Auf was darf ich mich noch freuen?«
»Nun, wie wir es vorhin besprochen haben. Zuerst eine Viertelstunde Biosauna bei fünfzig Grad. Dann gehen wir zur ayurvedischen Ganzkörpermassage inklusive der Füße. Danach machen wir eine Pause und laden Sie zu einem leichten Lunch ein.«
»Das hört sich ja schon alles sehr verführerisch an. Konnten Sie klären, ob der Friseur mich einschieben kann?«
»Ja, Sie haben Glück. Heute Morgen hat eine Dame ihren Termin abgesagt, und das passt perfekt in unseren Zeitplan. Nach dem Lunch geht es weiter mit einer Kopf- und Gesichtsmassage, und zum Abschluss der ayurvedischen Behandlung verwöhnen wir Sie noch mit einem Öl-Stirnguss. Bevor wir Sie dann in unserem Haarsalon erwarten, geht es noch zur Maniküre und zur Pediküre.«
»Wunderbar. Ich werde mich wie neugeboren fühlen, das weiß ich jetzt schon. Vermutlich werden Sie mich heute Abend gewaltsam von der Polizei heraustragen lassen müssen. Freiwillig werde ich jedenfalls nicht gehen.«
Candy klapperte verdutzt mit den Augenlidern und zog die Stirn kraus.
»Entschuldigen Sie bitte, das sollte ein Scherz sein«, sagte Lilli schnell. »Von mir aus kann es weitergehen.«
Das Gesicht der Blondine entspannte sich wieder. »Oh, ein Scherz. Natürlich, ich verstehe. Hahaha. Natürlich. Kommen Sie bitte mit.«
Einige Stunden später starrte Lilli in das Gesicht einer wunderschönen, fremden Frau. Es war ihr Spiegelbild.
Sie saß in einem Frisierstuhl, und all die Menschen, die den Tag damit verbracht hatten, sie zu massieren, zu kneten, zu ölen, zu zupfen, zu feilen, zu schminken und zu frisieren, hatten ihr Werk vollendet. Und sie hatten ganze Arbeit geleistet.
Allein Jürgen, der Friseur, hatte sich zwei Stunden lang nur mit ihren Haaren beschäftigt. Sie waren jetzt knapp schulterlang, großzügig durchgestuft und hatten zarte Strähnchen in verschiedenen Blond- und Rottönen. Der neue Schnitt brachte Lillis Naturwellen wieder zum Vorschein, die ihr in letzter Zeit so schmal gewordenes Gesicht weich umrahmten. Lilli hatte sogar das
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