Küchenfee
viel vorgenommen hatte. Sie hatte ihre Töchter in letzter Zeit wirklich kaum gesehen. Für das Theaterfest musste so viel organisiert werden, nachdem endlich festgestanden hatte, dass Lilli und Gina den Auftrag bekommen würden.
Wie aufs Stichwort hielt Ginas Auto vor dem Gartentor. Lilli sah Gina heftig gestikulierend auf Monsieur Pierre einreden, der auf dem Beifahrersitz saß und genervt die Augen verdrehte. Sie stiegen aus und kamen den Weg zur Haustür entlang. Gina schimpfte wie ein Rohrspatz, während Monsieur Pierre beschwichtigend die Hände erhoben hatte.
Lilli erwartete sie in der offenen Haustür. Gina schoss gleich an ihr vorbei in Richtung Küche. »Lilli, halte mir diese Nervensäge vom Hals!« Ein schriller Schrei ertönte. » Madonna! Was ist mit deiner Bialetti passiert?«
Monsieur Pierre nahm Lilli kurz in die Arme. »Hallo, Lilli. Deine Freundin Gina schafft mich, ehrlich.«
Lilli lachte. »Was war denn schon wieder?«
Monsieur Pierre stemmte die Hände in die Hüften. »Sie hat mal wieder versucht, mich zu vergiften. Während ich heute Vormittag beim Arzt war, hat sie für mich gekocht. Völlig ungenießbar. Das habe ich ihr auch gesagt. Und natürlich ist diese Furie dann ausgerastet und hat mit Tellern geworfen.«
Lilli tätschelte dem Koch mitfühlend den Arm. »Komm erst mal rein, Pierre.«
Als sie in die Küche kamen, stand Gina mitten im Raum und hielt anklagend die Bialetti hoch. »Wer war das, Lilli? Du etwa?«
»Sicher. Und morgen verkaufe ich meine Töchter im Internet, weil ich über Nacht komplett den Verstand verloren habe. Rate mal. Wer könnte das wohl getan haben?«
»Sieht eigentlich nach Käthe aus.«
»Stimmt haargenau. Und als ich mich darüber aufgeregt habe, hatten wir einen Riesenstreit, der damit geendet hat, dass Käthe unter Protest das Haus verlassen hat.« Lilli seufzte. »Ich bin nämlich undankbar, müsst ihr wissen.«
»Hat sie das gesagt?«, fragte Monsieur Pierre.
Lilli nickte. »Nicht wörtlich. Aber das hat sie gemeint.«
»Manchmal ist sie wirklich eine boshafte alte Krähe«, sagte Gina. »Ihre Hilfe in allen Ehren, aber sie hat versucht, hier das Regiment zu übernehmen, stimmt’s?«
»Schwamm drüber. Ich habe gerade andere Probleme. In drei Tagen ist Showtime, und da kann ich keine Aufregung brauchen. Danach werde ich weitersehen. Wie war der Termin im Theater? Hat alles geklappt?«
»Oh, Lilli! Es ist wunderbar.« Gina hatte die Arme gehoben und tanzte durch die Küche. »Ein Traum! Die Requisite hat alles genau so aufgebaut, wie ich es haben wollte. Marmorsäulen, Götterstatuen, Liegebänke, und es gibt sogar einen Brunnen, aus dem der Wein sprudeln wird. Morgen werde ich noch Pflanzen aufstellen und alles mit Weinlaub schmücken.« Sie drehte noch eine Pirouette und verharrte kurz in graziöser Ballerinapose, bevor sie sich verbeugte. »Danke, danke, kein Applaus. Bitte erst nach der Vorstellung.«
Monsieur Pierre starrte Gina mit offenem Mund an. Als sie sich aufrichtete, begegnete sie seinem Blick und wurde tiefrot. Irritiert fauchte sie: »Was ist los? Sind dir die Beleidigungen ausgegangen? Enttäusch mich nicht!«
Monsieur Pierre hatte sich wieder gefasst. »Nicht nur Möchtegernköchin, sondern auch noch Möchtegernballerina«, sagte er süffisant. »Ich bin beeindruckt. Was kommt als Nächstes?«
»Möchtegernboxerin, wenn du nicht endlich deine Klappe hältst. Kannst du denn nur stänkern?«
»Ich werde immer etwas unleidlich, wenn man versucht, mich zu vergiften.«
»Immer noch meine Spaghettisauce?« Gina rang theatralisch die Hände. »Wie kannst du es wagen? Das war ein Rezept von meiner mamma !«
Monsieur Pierres Augenbrauen wanderten nach oben. »Tatsächlich. Und deine mamma hat dir beigebracht, fünf Kilo Oregano und zwölf Kilo Salz in die Sauce zu kippen? Das war reines Gift!«
»Du …, du … mascalzone! Strazio! «
Monsieur Pierre zog aufreizend langsam ein Wörterbuch aus seinem Rucksack und schlug es auf. » Mas…, mas…, mascal … hier! Mascalzone! Aha. Dreckskerl. Sehr einfallsreich, Gina. Und so damenhaft. Wie war das andere Wort?«
»Strazio«, soufflierte Lilli hilfsbereit, die der Auseinandersetzung amüsiert folgte.
»Vielen Dank, Lilli«, sagte Monsieur Pierre salbungsvoll und blätterte weiter in dem Buch. »Stra…, stra…«
Gina sprang auf ihn zu und riss ihm das Wörterbuch aus den Händen. »Nervensäge. Das heißt Nervensäge«, zischte sie. Dann lief sie zum Küchenfenster,
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