Küchenfee
öffnete es und schleuderte das Buch in den Vorgarten. »So, mein Lieber, du willst mich provozieren? Nicht mit mir.« Sie setzte sich dem Koch gegenüber an den Tisch und starrte ihn herausfordernd an.
»Großartige Vorstellung«, sagte Lilli und applaudierte. »Niemand schätzt einen guten Kampf so sehr wie ich, aber jetzt haben wir uns genug amüsiert. Gott sei Dank bist du wieder gesund, Pierre. Sonst müsste ich noch befürchten, dass ihr euch gegenseitig umbringt, wenn man euch weiterhin täglich aufeinander loslässt.«
»Hm.« Monsieur Pierre starrte auf vor sich auf die Tischplatte.
»Ab wann arbeitest du wieder? Morgen?«
»Übermorgen. Und glaub mir, Lilli, ich wäre viel lieber mit euch im Theater. Aber im Camelot geht alles drunter und drüber.«
»Wie bedauerlich«, sagte Gina. »Raupen im Salat? Trockenes Risotto? Tiramisu mit Salmonellen?«
Lilli sah, dass Monsieur Pierres seine Stirn runzelte, und beschloss, einzugreifen. »Lasst uns doch lieber noch mal unsere Planung durchgehen, ja? Hast du mit Mike die Bestellung geklärt, Pierre?«
Der Koch nickte. »Mike liefert übermorgen früh in die Theaterkantine, dann könnt ihr sofort anfangen. Das Kantinenpersonal ist ab acht vor Ort, um dir zu helfen.«
»Sehr gut. Es gibt eine Menge vorzubereiten.«
»Was genau wird es denn geben?«, fragte Gina. »Gefüllte Giraffenhälse? In Auerochsenfett gebratene Schweinskaldaunen mit Honig?«
»Meine liebe Gina, du hast zu viel Asterix gelesen«, sagte Lilli kichernd. »Nichts dergleichen. Verschiedene Eintopfgerichte, einige Beilagen und Süßspeisen, alles nach Originalrezepten. Von einem Römerverein bekommen wir eine antike Garküche geliehen, außerdem Geschirr und Besteck. Na ja, die haben ja damals nur mit Löffeln gegessen. Klappt denn alles mit den Kostümen?«
Gina nickte. »Die Damen vom Fundus sind wunderbar. Wir haben Gewänder für uns und das Personal beiseitegelegt, und zwei Stunden vor Beginn der Veranstaltung werden wir eingekleidet und stilecht frisiert.«
»Und die Gäste? Wäre doch toll, wenn die auch …«
»Alles organisiert. Das Gauklervolk ist Feuer und Flamme, kostümiert zu erscheinen. Teilweise haben sie sich Termine in der Theatermaske geholt, der Rest will in Fantasiekostümen kommen. Jede Menge Togaträger in Bettlaken, schätze ich mal. Klappt das mit der Musiktruppe?«
»Ja, sie reisen nachmittags an und kommen sofort zum Theater für einen Soundcheck. Sie bringen auch ihre CDs mit, damit wir die Pausen überbrücken können.« Lilli fiel auf, dass Monsieur Pierre immer schlechtere Laune zu bekommen schien. »He, Chefkoch, was ist los mit dir?«
Monsieur Pierre schnaubte. »Schön, dass die Damen so viel Spaß haben. Während ihr die Party des Jahres feiern könnt, darf ich wieder im Camelot in der Küche stehen.«
Lilli legte ihre Rechte auf seine Hand. »Pierre, ohne dich hätten wir das niemals geschafft. Wir haben dir den Auftrag zu verdanken, und deine Vorarbeit ist nicht zu bezahlen, ich weiß. Kannst du nicht einfach deinen Krankenschein verlängern?«
Der Koch schüttelte den Kopf. »Das geht nicht. Madame Kamlot hat mich während meiner Krankschreibung jeden Morgen um acht angerufen und sich ausgiebig über die Aushilfsköche beschwert. Dann habe ich die Tageskarte gemacht, den Einkauf geplant, die Rezepte diktiert … Das geht mir derart auf die Nerven, dass ich mich lieber so schnell wie möglich selbst wieder in die Küche stelle.«
»Vielleicht ist dir das ein Trost: Kati wird mindestens zwei Millionen Fotos machen.«
»Und dann kannst du dich über uns beide als römische Küchensklavinnen amüsieren«, ergänzte Gina. »Würde es dir gefallen, wenn wir uns in Ketten legen lassen würden? Mit halb zerrissener Kleidung und so?«
Monsieur Pierre wurde rot.
Drei hektische Tage später stand Lilli auf der Bühne des Theaters in ihrer original römischen Garküche, rührte in einem großen Kessel mit Frikassee und beobachtete das bunte und lebhafte Treiben um sie herum. Das Fest war in vollem Gange, alle amüsierten sich prächtig. Die Damen überboten sich gegenseitig mit prachtvollen Gewändern, glänzendem Goldschmuck und komplizierten Flechtfrisuren. Die Herren trugen größtenteils weiße Togen – wenn sie nicht als Legionär erschienen waren. Besonders die jungen Schauspieler hatten sich fantasievoll kostümiert.
Der Kulisse hatten die Gäste begeistert applaudiert; Gina hatte wirklich ganze Arbeit geleistet. Man wähnte sich
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