Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Kuehler Grund

Titel: Kuehler Grund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Booth
Vom Netzwerk:
Mr. Dickinson?«
    Diane Fry sah Harry erwartungsvoll an. Er wirkte von Minute zu Minute entspannter und ruhiger, als ob es ihn nicht das Geringste anginge, was in dem klaustrophobischen Vernehmungsraum passierte. Ironischerweise schien ihm der Stress, unter dem die Beamten litten, nichts anhaben zu können. Sie wussten, dass sie ihm bald eine weitere Pause gönnen mussten, ohne dass sie auch nur einen einzigen Schritt weitergekommen wären.
    »Helles Kerlchen, dieser Vogelfreund, hm? Hat er mich so genau gesehen, dass er Ihnen zum Beispiel sagen konnte, was für eine Farbe meine Augen haben?«
    »Mr. Edwards hat einen alten Mann gesehen.«
    »Sehen wir etwa alle gleich aus?«, sagte Harry und grinste unverschämt.
     
    »Unsinnige und dumme Bemerkungen werden ignoriert«, hieß es im Lehrbuch. Aber die Vernehmungsbeamten stürzten sich auf jede Bemerkung, die Harry fallen ließ, ganz gleich, wie unsinnig oder dumm sie auch war. Sie waren froh über jede Reaktion, die nicht nur aus einem versteinerten, verächtlichen Blick bestand.
    Harry gab sich ganz wie ein Mann, der eine ungeheuerliche Zumutung geduldig über sich ergehen ließ. Obwohl er keine Emotionen zeigte, ließ er die Beamten wortlos spüren, dass sie sich ihn für immer zum Feind gemacht hatten.
     
    »Ist das die Taktik, die Sie bei Ihrer Frau anwenden, Harry? Was sie nicht weiß, macht sie nicht heiß? Frauen glauben immer gleich das Schlechteste, ganz egal, was man ihnen erzählt. Deshalb ist es besser, man erzählt ihnen gar nichts. Ist es nicht so? Und am glücklichsten sind sie sowieso, wenn man sie glauben lässt, was sie wollen. Habe ich nicht Recht, Harry?«
    Das einzige, was Harry fehlte, war seine Pfeife, aber er würde ihnen nicht die Freude machen, ihm das Rauchen zu verbieten. Er blickte leicht abwesend von Hitchens zu Fry, fast so, als ob er sich fragte, was sie in seinem Zimmer verloren hatten.
    »Oder weiß Gwen sogar Bescheid, was Sie treiben? Vielleicht würde sie es uns gern erzählen. Wir haben sie nämlich hier, Harry. Sie ist in einem anderen Vernehmungsraum. Was sagen Sie dazu?«
    »Wer füttert meinen Hund?«, fragte Harry.
     
    Ben Cooper bearbeitete die Routinefälle, die über Nacht hereingekommen waren. Ihm dröhnte der Kopf, als ob jemand einen Presslufthammer durch sein Gehirn trieb. Sein Mund war trocken, er hatte einen ekelhaften Geschmack auf der Zunge, und sein ganzer Körper tat ihm weh. Er hatte DS Rennie gesagt, dass die Wunde am Kopf von einem Unfall auf der Farm herrührte.
    Dann hatte er eine halbe Stunde lang einen Schafschänderwitz nach dem anderen über sich ergehen lassen müssen, während ihm speiübel war und sich ihm fast der Magen umgedreht hätte.
    Als er am Morgen aufgewacht war, hatte er keine Ahnung gehabt, wo er sich befand. Ein fremdes Bett in einer fremden Wohnung und keine Erinnerung daran, wie er hergekommen war. Die einzigen Anhaltspunkte, die er hatte, waren ein teuflischer Kater und sein zerschlagener, mit Schrammen übersäter Körper, doch auch die halfen ihm nicht viel weiter.
    Aufschluss gab ihm erst ein alter Briefumschlag auf dem Nachttisch, auf den eine Nachricht gekritzelt war. »Musste ins Büro. Schlage vor, du meldest dich krank. Was immer du tust, verschon mich damit.« In seinem Zustand dauerte es mehrere Minuten, bis er darauf kam, um wen es sich bei diesem »DF« handelte, der die Nachricht unterschrieben hatte.
    Allmählich meldeten sich dann auch ein paar graue, bruchstückhafte Erinnerungen zurück. Er erinnerte sich an den Besuch im Dojo und an das Telefongespräch mit Helen Milner. Plötzlich wusste er auch wieder, wie Diane Fry ihn fertig gemacht und erniedrigt hatte. Es lag klar auf der Hand, dass sie seine Chancen bei Helen mit voller Absicht sabotiert hatte und ihn vor seinen Freunden im Dojo blamieren wollte. Sonst hätte sie ihm nicht verschwiegen, dass sie den vierten Dan und den schwarzen Gürtel hatte, als er angegeben und sie zum Kampf herausgefordert hatte. Als er merkte, dass sie ihn ins offene Messer laufen lassen wollte, war er wutentbrannt aus dem Studio gestürmt.
    Undeutlich erinnerte er sich an den Pub hinter dem Busbahnhof. Es war das dritte Lokal, das er aufgesucht hatte. Er wusste auch noch, dass dort irgendetwas geschehen war. Doch danach ließ ihn sein Gedächtnis völlig im Stich. War es um Schweine gegangen? Doch, schon möglich. Das erklärte aber noch lange nicht, wie er in Diane Frys Bett gelandet war und woher seine Verletzungen stammten. Ob sie

Weitere Kostenlose Bücher