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Kuehler Grund

Titel: Kuehler Grund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Booth
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nur noch im Labor untersucht werden mussten.
    Aber das Schlimmste kam noch.
    »Haben Sie irgendwelche Krankheiten?«, fragte Dr. Inglefield, während er ein Paar Gummihandschuhe überstreifte.
    Harry starrte ihn an. »Ich hatte eben erst meine jährliche Untersuchung. Ich gehe lieber zu meinem Hausarzt, aber trotzdem, danke.«
    »Ich muss wissen, ob Sie irgendwelche Krankheiten haben. Hautkrankheiten vielleicht? Schuppenflechte, Ekzeme, Herpes? Sind Sie Diabetiker oder Bluter? Irgendwelche Geschlechtskrankheiten? Hepatitis? Sind Sie HIV positiv?«
    »Ich bin gesund«, sagte Harry mürrisch.
    »Nehmen Sie irgendwelche Medikamente ein? Wer ist Ihr Hausarzt? Sind Sie sicher, dass Sie keine Krankheiten haben? Gar nichts? In Ihrem Alter wäre das ungewöhnlich.«
    Harry schüttelte den Kopf.
    »Nun gut. Dann wollen wir Sie erst einmal äußerlich untersuchen.«
    »Wozu soll das alles gut sein? Ich dachte, ich werde ausgefragt und fertig.«
    »Das kommt später.«
    Harry musste sich hinsetzen, während der Arzt seinen Kopf untersuchte. Zuerst kämmte er ihm ein paar lose Haare aus, die er in kleine Plastikbeutel steckte. Dann riss er ihm einige Haare aus und hielt sie ans Licht, um sich zu überzeugen, dass sie noch Wurzeln hatten, bevor sie ebenfalls in einem Beutel verschwanden. Der Kripobeamte befestigte Etiketten daran, die der Arzt abzeichnen musste.
    Harry ließ die Prozedur stoisch über sich ergehen und behandelte die Männer wie Luft, das Gesicht so ernst und würdevoll, als ob er in der Kirche auf das Ende einer langweiligen Predigt wartete. Nach einer Weile färbte sein Verhalten auf den Arzt und den Kripobeamten ab, die immer nervöser und schweigsamer wurden, während sie ihrer Arbeit nachgingen.
    Dr. Inglefield holte einige Abstrichtupfer, die an große Wattestäbchen erinnerten, und rieb damit über Harrys offene Handflächen und in seinen Fingerzwischenräumen herum.
    »Öffnen Sie bitte den Overall.«
    »Wozu denn das?«
    »Ich brauche noch weitere Haarproben.«
    Harry rührte sich nicht.
    »Schamhaare. Mr. Dickinson?«
    Harry stand sehr langsam auf und öffnete den Papieroverall. Der Arzt bückte sich, um seine verschrumpelten Genitalien zu untersuchen. Wieder holte er den Kamm. Er musste mehrere Male durch Harrys Schamhaare fahren, bis er mit seiner Ausbeute zufrieden war. Zuletzt zupfte er mit den behandschuhten Fingern noch ein graues Haar heraus. Harry zuckte zusammen – die erste unwillkürliche Bewegung, seit er den Untersuchungsraum betreten hatte.
    Ein weiterer Tupfer kam zum Einsatz. Der alte Mann starrte ins Leere, während der Arzt seinen Penis anhob und seine Eichel betupfte.
    »Nun nehme ich Ihnen noch eine Blutprobe ab.«
    Die Spritze Blut, die er Harry aus dem Arm abnahm, wurde auf zwei kleine Plastikröhrchen aufgeteilt, eines für die DNS-Analyse, das andere zum Vergleich der Blutgruppe. Der Beamte sammelte die Päckchen ein und legte sie in den Kühlschrank, bis sie in das gerichtsmedizinische Labor gebracht werden konnten. Nun fehlte nur noch eine Probe. Der Arzt hielt Harry ein Schälchen hin.
    »Spucken Sie bitte hier hinein, Mr. Dickinson.«
    Bei dieser Probe war Harry nur zu gern zu Diensten.
     
    Als es vorbei war, zitterte Fry am ganzen Körper, es war eine Mischung aus Wut und Angst. Sie sah fassungslos auf ihre Hände, entsetzt über das, was sie getan hatten. Wo war die Selbstkontrolle? Wo war die Disziplin? Wo waren die edlen Beweggründe? Sie hätte Trost und Unterstützung gebraucht, aber sie hatte nur Ben Cooper, der bewusstlos auf dem Beifahrersitz des Peugeots hing.
    Ben ins Auto zu schaffen, war der schwierigste Teil der ganzen Angelegenheit gewesen. Er würde seinen Toyota eben morgen abholen müssen, wenn er wieder nüchtern und ein wenig beweglicher war.
    Da sie keine Ahnung hatte, wo er wohnte, war ihr nichts anderes übrig geblieben, als ihn mit zu sich nach Hause zu nehmen. Das Letzte, was sie wollte, war ein fremder Mensch in ihrer kahlen, seelenlosen Wohnung, und Ben Cooper schon gar nicht. Aber was hätte sie sonst tun sollen?
    Coopers Kopf rollte hin und her, Blut lief ihm von der Stirn auf den Hals. Über dem einen Auge bildete sich eine dicke Beule, seine Lippen waren aufgeplatzt und geschwollen. Fry hatte noch nie einen derart übel zugerichteten Menschen gesehen. Sie konnte nur hoffen, dass er sich nicht in ihrem Auto übergeben musste. Während sie die Castleton Road hinauffuhr, beschimpfte sie ihn wüst, weil er sie in diese Situation gebracht

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