Kuehler Grund
Erniedrigung, für Helens schreckliches Erlebnis und für Ihre eigene Hilflosigkeit. Wie du mir, so ich dir. Laura Vernon bot sich als Angriffsziel geradezu an.«
»Ich weiß wirklich nicht, wovon Sie reden.«
»Ich glaube, das wissen Sie genau. Was haben Sie wirklich am Samstagabend gemacht, Mr. Milner?«
Die Stille wurde unerträglich, während Tailby sich zu Andrew hinunterbeugte und auf eine Antwort wartete. Die Tonbänder liefen surrend weiter. Andrew Milner rührte sich nicht. Dann verzerrte sich sein Gesicht. Er rang die Hände, und Tränen liefen ihm über die Wangen.
27
Ben Cooper setzte den Feldstecher an und ließ den Blick über den Berg gleiten, die Ellenbogen auf das warme Gestein gestützt. Es dämmerte bereits, und die verstreuten Gebäude wirkten grau und flach. Zum ersten Mal seit Tagen hatte sich im Westen eine Wolkenbank aufgetürmt, die die untergehende Sonne verbarg. Trotzdem hatte er den weißen Wagen, der den Feldweg heraufgeholpert gekommen war, gut erkennen können, genauso gut wie die drei Gestalten, die sich jetzt langsam vor dem baufälligen Gehöft hin und her bewegten.
»Jetzt sind alle drei da.«
»Lass mich mal sehen.«
Er reichte den Feldstecher vorsichtig weiter und legte sich etwas bequemer hin. Er lag auf der Erde, das Profil im Schatten des Berges, fast unsichtbar vor den Felsen in seiner dunklen Kleidung.
»Harry hat den Hund dabei.«
»Wie immer.«
»Im Moment scheinen sie einfach nur herumzustehen.«
»Normalerweise wären sie um diese Zeit im Pub. Sie sind spät dran. Übrigens, warum sollten Harry und Sam Beeley auf die Farm kommen? Es wäre doch viel einfacher für sie, sich mit Wilford unten im Pub zu treffen. Sie wohnen beide in der Nähe, und Wilford hat ein Auto.«
Diane Fry sah weiter durch den Feldstecher. Cooper betrachtete gespannt ihr Gesicht. Sie hatte sich zwar überreden lassen, nach Dienstschluss mit ihm auf die Raven’s Side zu kommen, war aber noch lange nicht überzeugt, dass er nicht schon wieder irgendeine Eselei vorhatte. Als er vor zwei Tagen auf der Raven’s Side gesessen und sich an die Legende von den schwarzen Hunden erinnert hatte, die in den Bergen umgingen, hatte er auch diese Stelle entdeckt, von der aus man die Thorpe Farm gut beobachten konnte.
»Vielleicht wollen sie Wilford nur helfen, die Tiere zu füttern«, sagte sie.
Cooper lächelte. »Was für Tiere?«
Fry fragte sich, wonach sie eigentlich Ausschau hielt, während sie den Feldstecher über die Gebäude gleiten ließ. In den morschen Schuppen und Hütten konnte alles Mögliche verborgen sein. Wenn es jemals zu einer Durchsuchung käme, wäre es der reinste Albtraum.
Rechts neben den Gebäuden konnte sie gerade noch den berühmten Misthaufen ausmachen. Er lag da wie eine riesige Ladung Kot, die ein monströses Wesen auf dem Weg nach Moorhay fallen gelassen hatte. Selbst aus dieser Entfernung konnte sie die Dunstschwaden erkennen, die von ihm aufstiegen. Sie bildete sich sogar ein, dass die Abendluft danach stank, und schüttelte sich.
»Es ist wirklich ziemlich ruhig auf den Feldern«, sagte sie. »Die Tiere sind sicher schon im Bett.«
Als Cooper verächtlich schnaubte, nahm sie den Feldstecher herunter und funkelte ihn böse an. Genau wie er trug auch sie Jeans und eine dunkle Jacke. Es lag sich nicht gerade bequem auf der harten Erde, und sie hatte ein ungutes Gefühl bei dem, was sie taten. Sie erinnerte sich noch allzu gut an Dienstagabend, als sie Ben Cooper zu der Wildererhütte gefolgt war – hinein in den Schlamassel. Sie begriff nicht, warum sie sich von ihm noch einmal zu so einem hirnrissigen Unternehmen hatte überreden lassen, obwohl sie wusste, dass es ein Fehler war.
»Entschuldigung«, sagte er. »Was machen sie jetzt?«
»Nichts. Wahrscheinlich hat Wilfords Frau irgendwas gekocht und sie gehen gleich zum Essen.«
Er runzelte die Stirn. »Was hast du gesagt? Wer hat was …?«
»Ich sagte, sie gehen bestimmt gleich essen. Daran sollten wir auch langsam denken, Ben.«
»Okay, okay. Ich lade dich nachher zum Chinesen ein. Was meinst du? Wir gehen zu Fred Kwok. Das ist der beste Chinese in Edendale. Wie wäre es nachher mit ein paar ausgebackenen Wan Tan?«
»Jetzt wären sie mir lieber. Jetzt würde ich sogar eine Fleischpastete mit Erbsenpüree im Drover essen.«
Er schwieg, aber sie wusste, dass er sie mit diesem bittenden Blick ansah, der sie verwirrte und wütend machte, weil er Gefühle in ihr wachrief, die sie seit langem zu
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