Kuehler Grund
klar.«
»Mrs. Van Doon wird es Ihren Kollegen genau sagen können. Ein forensischer Entomologe kann das Entwicklungsstadium der Larven feststellen und was Sie sonst noch wissen müssen. Damit lässt sich der Todeszeitpunkt ziemlich präzise bestimmen.«
Hinter den Bäumen waren Motorengeräusche zu hören, und dann tauchte der Hubschrauber wieder auf. Im Tiefflug geleitete er einen kleinen Konvoi einen Waldweg entlang.
»Ich gehe lieber mal los und zeige ihnen den Weg«, sagte Fry.
»Die haben mehr Glück als ich«, sagte der Arzt. »Mein Wagen steht irgendwo oben am Berg. Na ja, ein bisschen Bewegung kann nicht schaden. Das sage ich zumindest meinen Patienten immer.«
Fry begleitete die Pathologin und das Tatortteam den Berg hinunter. Der Mann und die Frau vom Tatortteam schwitzten in ihren weißen Overalls und Überschuhen, während sie ihre Koffer zu der Absperrung schleppten. Als sie sich die Kapuzen über den Kopf zogen, sahen sie wie Außerirdische aus. Tailby machte dem Fotografen Platz, der in den immer länger werdenden Schatten, die sich mittlerweile über den Tatort legten, seine Scheinwerfer aufbaute. Die genaue Lage der Leiche musste mit Fotoapparat und Videokamera festgehalten werden, bevor sich die Gerichtsmedizinerin die Maden näher ansehen konnte. Fry wandte sich ab. Als Nächstes würde die Ärztin die Rektaltemperatur des Mädchens messen.
Fry registrierte, dass DI Hitchens auf seinem Handy angerufen wurde.
»Hitchens hier. Was gibt’s?«
Seine Miene verdüsterte sich zusehends.
»Setzen Sie jeden verfügbaren Mann dafür ein. Sicher, sicher, ich weiß. Aber die Sache hat höchste Priorität. Wir stehen ja wie komplette Vollidioten da. Sie können so viele Leute von anderen Aufgaben abziehen, wie Sie brauchen.«
Hitchens blickte sich suchend nach Tailby um; der DCI kam gerade wieder den Berg herauf.
»Verdammt!«, sagte Hitchens und steckte das Handy ein.
»Stimmt etwas nicht?«, fragte Fry.
»Ein Team wollte zu Lee Sherratt, um ihn festzunehmen, aber er ist getürmt.«
Fry runzelte die Stirn. Es war ausgesprochenes Pech, den Haupttatverdächtigen entwischen zu lassen, wenn der Fall nach den ersten Zeugenaussagen schon so gut wie geklärt schien und man darauf hoffen durfte, nach Auswertung der Laborergebnisse zu einem raschen Abschluss der Ermittlungen kommen zu können. Während sie auf den DCI warteten, der an seinen Plastikhandschuhen nestelte, nahm Fry sich vor, dafür zu sorgen, dass nichts von diesem Pech auf sie abfärbte.
»Es kommt darauf an, den Todeszeitpunkt so genau wie möglich zu bestimmen«, sagte Tailby. »Außerdem muss eine zweite Befragung der Dorfbewohner veranlasst werden, Paul.«
»Ja, Sir.«
»Und wir brauchen die Tatwaffe. Sobald die Spurensicherung hier fertig ist, sollen die Suchtrupps loslegen.«
»Ja, Sir.«
»Was war das für ein Anruf? Hat man den Jungen schon festgenommen? Diesen Sherratt?«
Hitchens zögerte zum ersten Mal.
»Nein, Sir.«
»Und warum nicht?«
»Sie können ihn nicht finden. Er ist seit gestern Nachmittag nicht mehr zu Hause gewesen.«
»Das soll hoffentlich ein Witz sein.«
Hitchens schüttelte den Kopf. »Nein, Sir.«
Tailbys Gesichtsausdruck verfinsterte sich, noch verstärkt durch seine zusammengezogenen buschigen Augenbrauen. »Nicht zu fassen. Da befragen wir den Burschen am Sonntag, als es nur um eine Vermisstensache geht, und kaum taucht die Leiche auf, geht er uns durch die Lappen.«
»Es gab keinen Grund …«
»Aber dafür gibt es jetzt einen Grund und zwar einen sehr guten. Meinen Sie nicht auch?«, sagte Tailby wütend und deutete auf die Stelle, wo Laura Vernon lag.
»Die Fahndung läuft. Aber weil so viele Männer hier unten bei der Suche im Einsatz waren …«
»Sie sollen sich verdammt noch mal ranhalten. Die Sache muss so schnell wie möglich vom Tisch, Paul. Wenn uns das nicht gelingt, fangen die Leute an, eine Verbindung zum Fall Edson herzustellen, und dann haben wir den Salat. Eine Massenhysterie, weil ein Serienmörder frei herumläuft. Das ist das Letzte, was wir gebrauchen können.«
Hitchens warf Fry einen Hilfe suchenden Blick zu. Sie verzog keine Miene. Sie hatte nicht die Absicht, sein Pech freiwillig mit ihm zu teilen.
»Okay«, sagte Tailby. »Was nun? Wie hieß der Mann noch gleich? Der Finder?«
»Dickinson, Sir«, antwortete Hitchens. »Harry Dickinson.«
Harry war in der Küche. Er hatte die Jacke ausgezogen und die Hemdsärmel hochgekrempelt, sodass seine weißen, sehnigen
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