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Kuehler Grund

Titel: Kuehler Grund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Booth
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die Fliegen, die um sein Gesicht brummten, und blickte durch die Bäume und das dichte Dornengestrüpp zurück. Es war wie ein Blick durch einen dunklen Tunnel, an dessen Ende Harry Dickinson stand, eingerahmt von einem Geflecht aus Ästen und Zweigen, die nach ihm zu greifen schienen. Cooper musste blinzeln, so scharf war der Kontrast zwischen dem hellen Licht und den kräftigen Farben der Hügelflanke. Der alte Mann stand im Schein der tief stehenden Sonne, und die aufgeheizten Felsen um ihn herum glühten. Im Hitzedunst, der vom Boden aufstieg, schien sich seine dunkle Silhouette langsam im Tanz zu wiegen. Zitternd und zuckend verlor sich der riesige, ausgefranste Schatten, den er auf die Felsen warf, im Dickicht.
    Der Ausdruck in Harrys Augen war nicht zu deuten, sein Gesicht lag halb im Schatten seiner Mütze. Cooper konnte nicht einmal erkennen, in welche Richtung er sah, ob er sich abgewandt hatte oder durch die Bäume zu ihm herüberstarrte.
    Am liebsten hätte er den alten Mann bei den Schultern gepackt und kräftig durchgeschüttelt. Es war tatsächlich jemand an dieser Stelle gewesen, und zwar erst kürzlich. Es war nicht zu übersehen – und man konnte es riechen. Zwei Menschen waren hier gewesen, und wenigstens einer von ihnen hatte es nicht nur auf Kaninchen abgesehen gehabt. Der Geruch, der unter den Bäumen in der Luft hing, war der nach geronnenem Blut, verwesendem Fleisch und Urin. Und die Fliegen hatten etwas Verlockenderes gefunden als Coopers Schweiß.

5
    Okay. Alles abgesperrt?«
    »Polizei an allen Zugängen«, antwortete Hitchens prompt.
    »Tatortteam?«
    »Unterwegs.«
    Diane Fry stand hinter DI Hitchens und Detective Chief Inspector Tailby, keine zehn Meter von der Stelle entfernt, wo die Leiche des Mädchens lag. Der Tatort war bereits bestens durchorganisiert. Obwohl Hitchens eine regelrechte Staatsaktion daraus gemacht hatte, die Polizisten auf dem Weg zu postieren und sich mit Informationen versorgen zu lassen, die er nun an den DCI weitergab, hatte Fry den Eindruck, dass schon vor seinem Eintreffen alles Notwendige veranlasst worden war.
    »Spurensicherung?«
    »Ebenfalls im Anmarsch.«
    »Fahndungsgruppe?«
    »Unter Leitung von DI Baxter.«
    Tailby war schlank und mehr als einen Kopf größer als Hitchens, und wie viele hoch gewachsene Männer ließ auch er ein wenig die Schultern hängen. Sein Haar war vorn leicht angegraut, aber länger als das der meisten seiner jüngeren Kollegen, die Kurzhaarschnitte bevorzugten. Er trug grüne Gummistiefel, nicht gerade das ideale Schuhwerk, wenn man durch unebenes Gelände stapfen musste, das steinig und mit Kaninchenlöchern übersät war. Er konnte sich glücklich schätzen, dass er es bis zum Tatort geschafft hatte, ohne sich einen Knöchel zu verstauchen. Fry war froh, dass sie es sich zur Gewohnheit gemacht hatte, robuste flache Schuhe und Hosen zu tragen.
    »Der Fotograf?«, sagte Tailby.
    »Eingetroffen und einsatzbereit.«
    »Er soll anfangen.«
    Fry erwartete als Nächstes die Frage nach dem Arzt, doch dann sah sie, dass Dr. Inglefield bereits den Weg herunterkam.
    »Der Finder?«, sagte Tailby.
    »Wieder in seinem Cottage, Sir. Mit DC Cooper.«
    »Dann wollen wir uns mal anhören, was der Doc zu sagen hat.«
    Der Arzt nannte einem Police Constable, der auf der halben Höhe des Weges stand, seinen Namen. Tailby wurde immer ungeduldiger, während die beiden Männer ihre Uhren verglichen und der PC die genaue Ankunftszeit in sein Notizbuch eintrug. Die meisten anderen Beamten, die sich am Tatort eingefunden hatten, waren wieder fortgeschickt worden, um die Suche fortzusetzen, die ihnen nun noch sinnloser erschien als vorher.
    Rings um die Tote spannte sich in einem Radius von mehreren Metern ein blauweißes Band um die Baumstämme und einen schwarzen Felsvorsprung. Von ihrem Standort aus konnte Fry von Laura Vernon lediglich einen Unterschenkel erkennen. Der schwarze Stoff ihrer Jeans stand im scharfen Kontrast zu dem weißen nackten Fuß, dessen Zehennägel blutrot lackiert waren. Der Rest der Leiche lag hinter dichtem Farnkraut verborgen, das umliegende Gelände war zertrampelt, Stängel waren abgeknickt, das Gras platt getreten. Die Chancen, auf dem Boden Spuren zu sichern, die zu einer schnellen Festnahme führen konnten, standen demnach nicht schlecht. Fry wäre zu gern näher an die Leiche herangegangen, um das Gesicht des Mädchens zu sehen. Wie war sie gestorben? War sie erwürgt oder erschlagen worden? Keiner sagte etwas. Zu

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