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Kuehler Grund

Titel: Kuehler Grund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Booth
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schlug einen besonders ruhigen Ton an.
    »Der Teufel ist nicht mehr da.«
    Als die Hand langsam wieder hervorkam, hielt Cooper sie fest. Sie war eiskalt.
    »Du kannst wieder rauskommen, Mum«, sagte er. »Der Teufel ist weg.«
     
    »Ben?«, sagte Fry.
    »Ja?« Mit einem Ruck tauchte er aus seinen Gedanken auf. Auf Fry machte er den Eindruck, als ob er geschlafen und geträumt hätte, einen stets wiederkehrenden Albtraum vielleicht.
    »Warum haben Sie heute Morgen bei der Besprechung nach Harry Dickinson gefragt?«
    Es interessierte sie, warum er im ungünstigsten Augenblick die Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte, obwohl ihm weitaus besser damit gedient gewesen wäre, den Mund zu halten und nicht weiter aufzufallen. Aber das konnte sie ihn so direkt nicht fragen.
    »Wer eine Leiche findet, ist immer verdächtig«, sagte er.
    »Ach, ja? Ich dachte, Dickinson hätte nur den Turnschuh entdeckt. Die Leiche haben Sie doch selbst gefunden.«
    »Sie wissen schon, was ich meine.«
    »Jedenfalls ist Dickinson achtundsiebzig Jahre alt. Ein harter alter Knochen, das gebe ich gern zu. Aber doch wohl eher der Typ Pfeifenraucher in Filzpantoffeln. Man traut ihm kaum zu, dass er den Reißverschluss an seiner Hose allein aufbekommt, von einem brutalen Angriff auf eine kerngesunde Fünfzehnjährige ganz zu schweigen.«
    »Ich bin mir nicht sicher, ob Sie Recht haben, Diane.«
    »Ach, nein? Und worauf begründet sich Ihr Verdacht?«
    »Auf nichts Konkretes eigentlich. Es ist mehr ein Gefühl, das ich in dem Cottage hatte. Und das Gefühl hatte etwas mit der Familie zu tun.«
    »Ein Gefühl? Alles klar, Ben.«
    »Ich weiß, was Sie sagen wollen.«
    »Tatsächlich? Ist das noch so ein Gefühl? Wissen Sie was? Tun Sie mir einen Gefallen, verschonen Sie mich mit Ihren Gefühlen, solange wir ein Team sind. Ich stehe mehr auf Fakten.«
    Den Rest der Fahrt brachten sie wieder schweigend hinter sich. Fry gab nicht viel auf Ben Coopers Gefühle. Wahrscheinlich hatte er keine Ahnung, was in einer Familie wirklich ablief. Für sie gehörte er zu der Sorte Polizisten, die sie Sozialklempner nannte – einer, der glaubte, dass es keine Verbrecher gab, nur Opfer, dass jeder Mensch, der gegen das Gesetz verstieß, krank war und Hilfe brauchte. Und nicht nur das; er war offensichtlich beliebt, unkompliziert und mit sich zufrieden. Bestimmt hatte er Dutzende von Freunden und Verwandten, die ihn mit Zuspruch und Hilfe überhäuften, bis er die reale Welt nur noch durch eine rosa Brille sehen konnte.
    Sie glaubte nicht, dass er auch nur die leiseste Ahnung hatte, wie schrecklich es in einer Familie wirklich zugehen konnte.

9
    Die Straße Wye Close lag in der Mitte einer kleinen Sozialsiedlung am nördlichen Ende von Moorhay. Die mit Schiefer gedeckten Häuser waren aus dem gleichen grauweißen Stein wie die übrigen des Dorfes und hatten auf der Straßenseite ein nicht eingezäuntes Stück Rasen, das eher an einen Randstreifen als an einen Vorgarten erinnerte. Auf der einen Seite stand eine Reihe Seniorenbungalows, die von den bescheidenen Einfamilienhäusern durch einen niedrigen Zaun getrennt waren, der die Kinder nicht daran hindern konnte, unter den Fenstern der alten Leute zu spielen.
    Die Siedlung, die aus höchstens 30 Häusern bestand, war auf dem Feld einer der großen Molkereibetriebe errichtet worden. Als die Fläche von der Gemeinde als Bauland deklariert wurde, konnte der Farmer den Verlockungen der gestiegenen Grundstückspreise angesichts der Krise in der Landwirtschaft nicht widerstehen. Nun grenzte jedes Haus mit der Rückseite an eine Weide oder hatte eine phantastische Aussicht über die Landschaft, bis hinüber zur Farm. Einige Bewohner der Siedlung arbeiteten in den kleinen Gewerbegebieten am Stadtrand von Edendale, andere in der gut zehn Kilometer entfernten Molkerei. Viele gingen gar keiner Beschäftigung nach. Auf dem Land gab es für die Sozialschwachen zwar ein Dach über dem Kopf, aber keine Arbeit.
    Vor dem Haus Wye Close 12 stand der Wagen einer Zivilstreife. Dieser oder ein ähnlicher Wagen stand nun schon seit Montagabend hier und wartete auf die Rückkehr von Lee Sherratt. Die Kinder der Siedlung, die nicht viel mit sich anzufangen wussten, weil noch Schulferien waren, hatten sich an diesem Morgen ein neues Spiel ausgedacht. Sie spielten Einbrecher, Räuber und Mörder, schlichen sich an und taten dann so, als ob sie den Polizeiwagen gerade entdeckt hätten, um dann kreischend um die nächste Ecke zu rennen. Dem

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