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Kuehles Grab

Titel: Kuehles Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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    Aber ich war nicht normal. Ich hatte zu viele Jahre in Angst gelebt, und er hatte das Leben eines Mannes auf dem Gewissen. Sein Job hatte ihn schon dazu gebracht, mich anzulügen und zu manipulieren, genau wie meine Vergangenheit mich dazu gebracht hatte, ihn zu belügen und zu manipulieren. Und beide glaubten wir, richtig zu handeln.
    Ich fragte mich, wie gut Bobby nachts schlief. Und wer von uns beiden als Erster schreiend aufwachen würde, wenn wir jemals zusammenkämen.
    Ich seufzte, drehte mich auf die Seite und hörte, wie Bella zu mir ins Schlafzimmer tapste und sich neben das Bett legte.
    Zu meiner Überraschung entspannte ich mich. Mir fielen die Augen zu. Vielleicht fing ich sogar an zu träumen.
    Es schellte wieder, laut, schrill, markerschütternd. Wieder und wieder und wieder. Ein gewaltsamer Angriff, der durch mein winziges Apartment hallte.
    Ich sprang vom Bett und rannte zum Fenster. Die Straßenbeleuchtung spiegelte sich im nassen Asphalt. Ansonsten sah ich nichts Ungewöhnliches. Ich lief in die Küche, spannte, den Elektroschocker in der Hand, die Muskeln an und richtete den Blick auf die Wohnungstür.
    Und da war er, der Schatten …
    Ich wurde stocksteif, hielt den Atem an, starrte auf den unterbrochenen Lichtstreifen.
    Langsam ließ ich mich auf alle viere nieder und versuchte durch den unteren Türspalt zu spähen. Keine Füße. Kein Mann. Ein kleiner, rechteckiger Gegenstand. Eingewickelt in buntes Papier – in die Comicseite der Sonntagszeitung …
    Ich hockte mich auf die Fersen. Dann stürzte ich mich auf die Tür und öffnete das halbe Dutzend Schlösser und Riegel. Mein Herz pochte vor Angst, meine Hände zitterten vor Wut. Bella bellte, als die Kette herunterfiel. Ich sprang über das Päckchen. Gemeinsam rannten wir zum Treppenabsatz. Dort blieb ich stehen, fuchtelte mit dem Elektroschocker herum und schrie aus Leibeskräften: »Wo bist du, Hurensohn? Komm raus und kämpfe wie ein Mann!«
    Bella raste die Treppe hinunter. Wir taumelten in die Halle im Parterre, vollgepumpt mit Adrenalin und bereit, es mit einer ganzen Armee aufzunehmen.
    Doch da war niemand, weder auf den Fluren noch im Treppenhaus. Etwas klapperte – die Haustür war offen und schlug im Wind hin und her.
    Ich stieß die Tür weit auf. Kalter Regen fegte mir ins Gesicht. Kein Anzeichen von Leben auf der Straße. Ich sicherte die Tür von innen, rief Bella zu mir, und wir gingen gemeinsam die Treppe hinauf.
    Vor der Tür wartete das Paket noch immer auf mich. Eine lange, rechteckige Schachtel. Snoopy thronte grinsend auf seiner roten Hundehütte.
    Plötzlich war mir alles zu viel. Fünfundzwanzig Jahre waren nicht genug. Das Training meines Vaters reichte nicht aus. Die Bedrohung war wieder da, und ich wusste immer noch nicht, wie ich mich zur Wehr setzen, wie ich angreifen und auf wen ich meine Wut lenken sollte.
    Mir blieb nur die Angst. Die Angst vor jedem Schatten in meiner abgedunkelten Wohnung, vor jedem Geräusch in diesem alten knarrenden Gebäude, vor jedem Menschen, der zufällig durch meine Straße schlenderte.
    Ich ließ das Päckchen im Flur liegen, nahm Bella am Halsband und zog sie ins Bad, dann versperrte ich die Tür, kletterte in die Wanne und betete, dass die Nacht bald vorüber sein möge.
    »Bist du sicher, dass du nichts gesehen hast?«, fragte Bobby. »Ein Auto, eine Person, den Zipfel eines Mantels an der Straßenecke?«
    Ich antwortete nicht, beobachtete ihn nur, wie er in meiner winzigen Küche auf und ab ging.
    »Was ist mit einer Stimme? Hat er etwas gesagt, einen Laut von sich gegeben, auf der Treppe Geräusche gemacht?«
    Ich schwieg noch immer. Bobby stellte mir schon seit Stunden immer wieder dieselben Fragen. Das wenige, was ich zu sagen hatte, war bereits auf Band gesprochen.
    Mein Telefon hatte kurz nach vier Uhr morgens geklingelt – wieder ein durchdringender Ton, der mir das Blut in den Adern gefrieren ließ. Aber die Stimme, die vom Anrufbeantworter ertönte, gehörte nicht einem höhnischen Irren. Es war Bobby, der verlangte, dass ich den Hörer abnahm.
    Für ihn musste ich die Badewanne verlassen, die Tür aufschließen und mich in mein Wohnzimmer wagen. Nur seinetwegen gelang es mir, den Hörer abzunehmen und ans Ohr zu halten, während ich alle Lichter anschaltete. Ich erzählte ihm von den nächtlichen Ereignissen.
    Ich brauchte nicht viel zu sagen. Nach zwei Minuten unterbrach Bobby die Verbindung und machte sich auf den Weg zu

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