Kuehles Grab
schlechter Traum, dachte ich. Eine unruhige Nacht.
Ich stieg aus dem Bett, in Boxershorts und einem ausgebleichten schwarzen Top. Bella hob den Kopf und sah sich um. Mittlerweile war sie an meine Rastlosigkeit gewöhnt. Sie legte sich wieder hin – eine von uns sollte wenigstens schlafen. Ich ging in die Küche, drehte den Wasserhahn auf und ließ einen Plastikbecher vollaufen. Ich stand in der Kochnische, starrte auf den schmalen Lichtstreifen unter meiner mehrfach verriegelten Wohnungstür, als es schellte. Ich zuckte erschrocken zusammen, verschüttete Wasser auf mein Shirt. Bella stürmte aus dem Schlafzimmer und stellte sich laut kläffend an die Tür.
Ich warf den Becher ins Spülbecken und rannte ins Schlafzimmer, zerrte das Kopfkissen beiseite und griff nach dem Elektroschocker, den ich dort versteckt hatte.
Bella bellte. Mein Herz hämmerte wild. Hörte ich das Knarren der Haustür? Schritte auf der Treppe?
Ich packte Bella am Halsband und zwang sie, sich hinzulegen. »Leise«, zischte ich ihr zu, aber Bella spürte meine Anspannung. Sie knurrte, während ich den Lichtstreifen nicht aus den Augen ließ und darauf wartete, dass ein Schatten auftauchte.
Und …
Nichts.
Minuten vergingen. Meine Atemzüge beruhigten sich. Mittlerweile dachte ich nicht mehr an Kampf oder Flucht, ich war nur vollkommen durcheinander. Zu spät fiel mir ein, zum Erkerfenster zu gehen und auf die Straße zu spähen. Ich entdeckte keinen unbekannten Wagen am Straßenrand. Niemanden, der sich in den dunklen Winkeln herumdrückte.
Ich sank auf die Bank am Fenster, den Elektroschocker noch immer in der Hand. Ich reagierte überzogen, brachte es aber nicht fertig, mich von der Stelle zu bewegen. Bella war da pragmatischer. Mit einem Schnauben verließ sie ihren Posten an der Tür und trottete zu ihrem Bett im Wohnzimmer. In der nächsten Sekunde rollte sie sich zusammen und begann zu dösen. So viel Glück hatte ich nicht – ich war hellwach und versuchte meine Nerven zu besänftigen.
Es ist nichts Ungewöhnliches, dass es mitten in der Nacht klingelt, redete ich mir ein. Betrunkene, die durch die Straßen torkelten, oder Gäste von anderen Mietern, die sich in der Apartmentnummer geirrt hatten. Die anderen Mieter im Haus waren auf Sicherheit bedacht. Niemand würde die Haustür für einen Fremden öffnen. Vielleicht hatte daher jemand, der ins Haus wollte, wahllos auf Klingelknöpfe gedrückt, um sein Glück zu versuchen.
Mit anderen Worten – es gab eine Million Erklärungen dafür, dass jemand mitten in der Nacht bei mir geklingelt hatte. Doch keine davon leuchtete mir wirklich ein.
Ich stand auf, ging wieder zur Wohnungstür, drückte das Ohr daran und lauschte, ob ich Geräusche auf der Treppe hörte.
Das Problem ist, dass es für das wahre Leben keinen Soundtrack gibt. In Filmen weiß der Zuschauer sofort, dass etwas Schreckliches passieren wird, weil schwere Bässe einsetzen. Es gibt niemanden, dessen Herz nicht schneller schlägt, wenn er die Titelmusik vom Weißen Hai hört. Wir lieben solche Symbole. Sie bringen eine gewisse Ordnung in diese Welt. Schlimme Dinge mögen geschehen, aber nur wenn die Hintergrundmusik unheimlich wird.
Die Wirklichkeit ist leider anders. Ein junges Mädchen kommt an einem sonnigen Nachmittag nach Hause, steigt die vertraute Treppe hinauf, hört das vertraute Summen der Klimaanlage, betritt die Wohnung und findet die Mutter tot auf dem Sofa vor.
Ein kleines Mädchen spielt im Garten der Großeltern. Die Vögel zwitschern. Eine Brise fegt durch das raschelnde Herbstlaub. Und plötzlich liegt das Mädchen schreiend im Van eines Wildfremden.
Das Leben verändert sich in einem einzigen Augenblick, und keine Musik weist auf die Tragödie hin.
Ich schleppte mich in mein von drei Nachtlampen erleuchtetes Schlafzimmer und streckte mich auf dem schmalen Bett aus.
Für einen Moment malte ich mir aus, wie es wäre, wenn Bobby Dodge kein Detective und ich kein Opfer, keine Verdächtige, keine Zeugin wäre. Wenn wir ganz normale Menschen sein könnten, die sich bei einem Fest getroffen hätten. Nach dem Fest würde er mich nach Hause begleiten, den Arm um meine Taille legen. Und statt vom Misstrauen beherrscht zu sein, würde ich mich treiben lassen, seinen männlichen Körper spüren.
Wir könnten zusammen essen, ins Kino gehen, ganze Wochenenden Sex haben. Wir könnten sogar ein Paar werden wie andere Menschen. Und ich wäre ganz gelassen und würde nicht seinen Namen oder Ähnlichkeiten in
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