Kuehles Grab
Hurensohn!«
Ich stürzte mich auf Charlie und zielte auf die weiche Stelle an seiner Kehle. Er rollte sich ab, packte meinen Arm und verletzte mich mit dem Messer. Ich fiel, und wir landeten beide auf dem Boden. Der unbeteiligte Part meines Gehirns, der lieber beobachtete als handelte, registrierte, dass dies nicht der Kampf war, für den ich ausgebildet war. Keine kunstvolle Fußarbeit, kein geschicktes Ausweichen. Stattdessen schlugen wir keuchend aufeinander ein, während wir uns auf dem Boden wälzten.
Ich schmeckte den salzigen Schweiß, der mir übers Gesicht rann, spürte das Brennen an Händen und Armen. Charlie schlug wie wild mit dem Messer in der Hand um sich. Ich zielte mit der rechten unaufhörlich auf sein Gesicht, vor allem auf seine Augen, während ich mit der linken seine Angriffe abzuwehren versuchte.
Ich war schneller, er jedoch besser bewaffnet. Ich blutete. Er war außer Atem. Er ritzte mir die Wange auf, ich traf ihn mit dem Handballen am Brustbein, und er fiel hustend und röchelnd nach hinten.
Ich stützte mich ab, kämpfte mich auf die Füße, machte einen Satz zur Tür.
Nein, ich konnte Bella nicht mit diesem Verbrecher allein lassen. Er würde sie umbringen.
Charlie stand bereits wieder und wankte vorwärts. Ich drängte mich an den Küchenschrank. Er kam unaufhaltsam näher. Ich griff hinter mich und hielt mich an der Kante der Theke fest. Sobald Charlie in Reichweite war, riss ich ein Bein in die Höhe und zielte auf sein Kinn. Er duckte sich, und endlich konnte ich mein Können zeigen, indem ich das Bein zurückführte, ihn oben am Kopf traf, doch leider mit weniger Wucht, als ich wollte. Trotzdem verschaffte ich mir einen Vorteil.
Ich riss die Schranktür auf und sah die unordentlich gestapelten Töpfe und Pfannen.
Charlie richtete sich bereits auf.
Komm schon, schnell.
Und ich fand, was ich suchte. Meine gusseiserne Bratpfanne.
Charlie näherte sich erneut, und ich wappnete mich für eine Tat, die ich nie für möglich gehalten hätte: Ich beabsichtigte, einen Menschen zu töten.
Plötzlich aus der Ferne: das süßeste Geräusch, das ich je gehört hatte. Schritte auf der Treppe. Charlie erstarrte. Ich hielt inne.
Bobby, dachte ich. Bobby kommt, um mich zu retten.
Eine braune UPS-Uniform stürmte in die Wohnung.
»Ben!«, keuchte ich.
Und Charlie sagte: »Benji?«
Ben antwortete entsetzt: »Christopher?«
Bobby steckte im dichten Verkehr fest. Klar. Dies war Boston. Selbst wenn ein Wagen eine Sirene hatte, konnte sich auf der Straße jeder aufführen wie ein Arschloch.
Er wählte noch einmal Annabelles Nummer und legte auf, als wieder nur der Anrufbeantworter ansprang. Er schlug mit der Faust aufs Lenkrad.
»Ruhig Blut«, sagte D. D. tonlos.
»Da stimmt etwas nicht.«
»Weil deine Geliebte nicht neben dem Telefon sitzt und ungeduldig auf deinen Anruf wartet?«
Er warf ihr einen Blick zu. »Sie wusste, dass ich zurückkommen und sie in ein Hotel bringen wollte. Sie würde nicht aus dem Haus gehen.«
D. D. zuckte mit den Schultern. »Sie hat einen Hund. Vielleicht muss sie ihn zwischendurch ausführen.«
»Oder«, entgegnete Bobby tonlos, »Charlie Marvin war schneller als wir.«
Sein Handy klingelte. Er klappte es auf, ohne vorher auf das Display zu schauen. Es war nicht Annabelle, sondern sein Freund, Detective Jason Murphy von der Massachusetts State Police.
»Ich habe Roger Grayson überprüft, wie du es wolltest«, begann Jason. »Es gibt einen Mietvertrag für Lagerplatz in einer Spedition gleich neben Route 2, nördlich von Arlington. Grayson hat die Gebühr immer für fünf Jahre im Voraus bezahlt. Die letzte Zahlung liegt etliche Jahre zurück, deshalb hat der Spediteur ein Inkassoverfahren eingeleitet. Wenn wir hinfahren und die ganzen Sachen mitnehmen, wäre ihm das nur recht. Er braucht den Platz.«
»Ausgezeichnet.«
»Vorstrafen – negativ. Nicht mehr als ein kleines Verkehrsvergehen, und das vor fünfundzwanzig Jahren. Grayson muss artig wie ein Chorknabe gewesen sein.«
»Verkehrsvergehen?«
»Geschwindigkeitsüberschreitung. Am fünfzehnten November 1982. Er wurde mit fünfundsiebzig Meilen in einer sechziger Zone erwischt.«
15. November 1982. Drei Tage nach Dori Petracellis Verschwinden.
»Sonst noch was?«
»Bobby, ich habe erst vor einer Stunde angefangen …«
»Was ist mit Walter Petracelli?«
»Noch nichts.«
»Du sagst mir Bescheid, ja?«
»Stets zu Diensten.«
Jason legte auf. Bobby steckte sein Mobiltelefon in die
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