Kuehles Grab
sorgfältig geplant hatte. Und bis heute sah Bobby, wenn er an sie dachte, hauptsächlich eine verzweifelte Mutter vor sich, die ihr kleines Kind schützen wollte.
Ein Mensch konnte nicht beides sein – fürsorglich und kalt.
D. D. durfte sich den Luxus gestatten, Catherine zu hassen. Bobby verstand sie nur zu gut.
Bobby nahm seinen Autoschlüssel, als das Telefon klingelte.
Er schaute auf die Nummer im Display, dann auf die Uhr. Viertel nach elf. Noch ehe er den Hörer in die Hand nahm, wusste er, was geschehen war.
»Catherine«, sagte er ruhig.
»Warum, zum Teufel, hast du mir nicht Bescheid gesagt?«, schrie Catherine Gagnon hysterisch.
Auf diese Weise erfuhr Bobby, dass die Presse die Wahrheit aufgedeckt hatte.
9
»Also schön, Leute«, sagte D. D. Warren und verteilte die neuesten Berichte. »Wir haben genau –«, sie sah auf ihre Uhr, »– sieben Stunden und siebenundzwanzig Minuten, um Schadensbegrenzung zu betreiben. Die großen Bosse sind sich einig, dass wir um acht Uhr unsere erste Pressekonferenz abhalten. Also gebt mir etwas an die Hand, damit ich von Fortschritten berichten kann, sonst stehen wir allesamt da wie Idioten.«
Bobby, der versuchte, möglichst unauffällig in den Besprechungsraum zu schlüpfen, bekam noch das Ende ihrer Ansprache mit. D. D. sah auf und funkelte ihn böse an. Sie sah noch erschöpfter aus und machte einen nervösen Eindruck. Bobby überblickte den Raum und entdeckte den Deputy Superintendent, Chef des Morddezernats, in einer Ecke sitzend. Das war die Erklärung.
»Nett, dass Sie sich zu uns gesellen, Detective Dodge«, sagte D. D. so laut, dass alle es hören konnten. »Ich dachte, Sie wollten sich nur etwas zu essen holen und nicht Stunden in einer Wellnessfarm verbringen.«
Er bot die beste Entschuldigung an, die ein Cop haben konnte. »Ich habe Zitronenplätzchen mitgebracht.«
Er stellte den Teller mit Mrs. Higgins' selbstgebackenen Keksen in die Mitte des Tisches. Die anderen Ermittler stürzten sich darauf. Bestechung mit Süßigkeiten und Gebäck war eine wirksame Waffe gegen Sticheleien.
»Wie gesagt«, fuhr D. D. fort und nahm sich selbst einen Keks, »wir brauchen Neuigkeiten. Jerry?«
Sergeant McGahagin, Leiter der Gruppe, die eine Aufstellung der vermissten Mädchen machte, sah auf. Hektisch wischte er den Puderzucker von seinen Unterlagen; seine Finger zitterten wegen des starken Koffeinkonsums so sehr, dass er es bei drei Versuchen nicht schaffte, das Papier, das er brauchte, zu fassen zu bekommen. Dann ließ er es auf dem Tisch liegen und las die Ergebnisse seiner Arbeitsgruppe ab.
»Wir haben zwölf unaufgeklärte Vermisstenfälle aus den Jahren 1965 bis 1983, sechs aus den Jahren 1997 bis 2005 – nur Mädchen unter achtzehn Jahren. Die vierzehn Jahre dazwischen müssen wir noch bearbeiten.« Er blinzelte. »Ich könnte noch zwei Mann mehr gebrauchen, die uns helfen, die Akten durchzugehen. Vielleicht hat jemand von euch noch ein bisschen Zeit … Natürlich müssen wir den forensischen Untersuchungsbericht für den Abgleich haben. Außerdem wissen wir nicht, ob die Opfer alle aus Massachusetts stammen oder ob wir unsere Recherchen auf ein größeres Gebiet ausdehnen sollen – Rhode Island, Connecticut, New Hampshire, Vermont, Maine. Ohne Opferprofil ist das eine Heidenarbeit; noch weiß ich nicht einmal, ob wir den richtigen Baum anbellen. Mehr kann ich derzeit leider nicht berichten.«
D. D. betrachtete ihn streng. »Jerry, verzichten Sie wenigstens mal eine Stunde auf Kaffee, okay? Sie brauchen bald eine Bluttransfusion, wenn Sie so weitermachen.«
»Das kann ich nicht«, erwiderte er. »Dann bekomme ich Kopfschmerzen.«
»Hören Sie überhaupt noch etwas außer dem Dröhnen in Ihren Ohren?«
»Was?«
D. D. seufzte und schaute in die Runde. »Jerry hat recht. Ohne die Obduktionsergebnisse haben wir keine Ahnung, ob unsere Ermittlungen überhaupt etwas taugen. Ich habe vor zwei Stunden mit Christie Callahan gesprochen. Die schlechte Nachricht ist – wir müssen uns wahrscheinlich noch mindestens zwei Wochen gedulden.«
Die Detectives stöhnten auf. D. D. hielt eine Hand hoch. »Ihr Jungs meint, ihr seid überfordert? Christie hat sogar noch mehr am Hals als wir. Sie hat sechs mumifizierte Leichen, die alle ordentlich untersucht werden müssen, und keine so klugen Kollegen, die ihr helfen. Selbstverständlich macht sie alles nach Vorschrift. Und das bedeutet, dass die Müllsäcke erst nach Fingerabdrücken und anderen Spuren
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