Kuehles Grab
über das Gespräch mit Annabelle Granger gemacht hatte und verschwieg, den Namen Dori Petracelli schon gehört zu haben. Aber D. D. spielte gern mit verdeckten Karten.
Bobby hatte selbst Nachforschungen über Dori Petracelli angestellt, deshalb war er keineswegs erstaunt, dass sie mit auf der Liste der vermissten Mädchen stand. Es war das Datum ihrer Entführung – 12. November 1982 –, das ihm Probleme bereitete.
Detective Rock setzte sich wieder hin.
Sinkus ergriff das Wort. »Wahrscheinlich hätte ich Informationen über meine Erkenntnisse mitbringen sollen – aber das wären fünfzig Seiten mit Namen gewesen, und ich dachte, kein Mensch hat Zeit, fünfzig Seiten durchzulesen. Aus diesem Grund habe ich Abstand davon genommen.«
»Gott sei Dank«, sagte jemand.
Der Deputy Superintendent räusperte sich in seiner Ecke, und augenblicklich waren alle still.
Sinkus zuckte mit den Achseln. »Mein Job ist es, eine vorläufige Aufstellung von den Leuten zu machen, die wir zur Vernehmung einbestellen sollten. Wir reden hier von Handwerkern, Bauarbeitern, Nachbarn, ehemaligen Angestellten der Klinik und polizeibekannten Straftätern aus der Gegend – alle aus den letzten dreißig Jahren. Die Aufstellung ist so dick wie ein verdammtes Telefonbuch. Damit will ich nicht sagen, dass wir sie nicht abarbeiten können.« Er warf hastig einen Blick auf den Deputy Superintendent. »Wir müssten lediglich die Bostoner Polizeistärke vervierfachen, um wirklich Ergebnisse zu erzielen. Ich glaube kaum, dass diese Aufgabe zu bewältigen ist, solange wir den Kreis der Verdächtigen nicht irgendwie eingrenzen können. Wirklich, wir brauchen unbedingt genauere Angaben über die Opfer und den Bericht der Gerichtsmedizin.«
»Nun, das alles haben wir nicht«, gab D. D. zurück. »Versuchen Sie es wenigstens.«
»Ich wusste, dass Sie das sagen würden«, brummte Sinkus mit einem Seufzer. »Okay, mir ist da ein Gedanke gekommen.«
»Spucken Sie's aus.«
»Für morgen habe ich einen Termin mit George Robbard ausgemacht, dem früheren Archivar vom Polizeirevier Mattapan. Er hat alle Berichte und Protokolle aus den Jahren von 1972 bis 1998 in den Computer eingegeben. Ich denke, wenn jemand weiß, was sich in der Gegend abgespielt hat und welche Leute oder Cops damit zu tun hatten, dann muss er es sein.«
D. D. war tatsächlich einen Moment sprachlos. »Lieber Himmel, Roger, das ist eine ausgezeichnete Idee!«
Sinkus lächelte verlegen. »Meine Frau ist darauf gekommen. Das Gute an unserem Neugeborenen ist, dass meine Frau nie schläft, wenn ich nach Hause komme. Das bietet uns die Gelegenheit, miteinander zu sprechen. Sie erinnerte sich, dass ich einmal gesagt habe, die Archivare seien die eigentlichen Gehirne eines jeden Polizeireviers. Wir anderen kommen und gehen. Diese Leute bleiben ewig.«
Ein Cop verbrachte vielleicht drei, vier Jahre in einem Revier. Ein Polizeischreiber hingegen bekleidete seinen Posten manchmal jahrzehntelang.
»Gut«, sagte D. D. entschieden. »Solche Ideen brauchen wir. Deshalb verzeihe ich Ihnen, dass Sie es mit dem Papierkram nicht so genau genommen haben, aber ich möchte ein Protokoll über das Gespräch mit George Robbard in der Sekunde auf dem Tisch haben, in der es fertig ist. Ich habe viel Gutes über Robbard gehört, und ich möchte wirklich gern wissen, was er von dem Fund hält. Die sechs Leichen legen den Schluss nahe, dass sich der Täter über Jahre hinweg in dieser Gegend aufgehalten hat.«
D. D. nahm ihre Unterlagen in die Hände und stieß sie zu einem ordentlichen Stapel zusammen.
»Okay, Leute. Es steht folgendermaßen: Wir feuern jede Menge Salven ab und hoffen, dass eine Kugel trifft. Ich weiß, das ist mühsam, aber dafür bekommen wir am Monatsende unser Geld. Uns bleiben noch –«, sie schaute auf die Uhr, »– gute sieben Stunden. Also: weitermachen! Die nächsten Berichte will ich um sieben Uhr haben. Der erste, der mir etwas bringt, was wir der Presse vorsetzen können, darf nach Hause und ein paar Stunden schlafen.«
Sie schob ihren Stuhl zurück und erhob sich halb, doch dann hielt sie inne und sah ernst in die Runde.
»Wir alle haben diese Mädchen gesehen«, sagte sie schroff. »Was mit ihnen passiert ist …« Sie schüttelte den Kopf und räusperte sich. »Ich möchte sie den Familien wiedergeben. Also lasst uns alles Menschenmögliche unternehmen, okay? Ich weiß, dass ihr alle müde seid. Aber wir werden es schaffen. Wir schicken diese Mädchen nach Hause zu
Weitere Kostenlose Bücher