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Kuehles Grab

Titel: Kuehles Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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ich kann mich dir nicht lange widmen.«
    »Eine Stiftung?«
    »Ja, die Dori Petracelli Foundation. Wir bezahlen DNA-Tests in Vermisstenfällen – insbesondere in lange zurückliegenden Fällen, wenn den Polizeibehörden die Mittel fehlen, die Kosten für die Tests zu übernehmen. Es ist erstaunlich, wie viele Leichname einfach in Pathologieinstituten in irgendwelche Fächer gesteckt wurden, bevor es die Möglichkeit gab, die DNA festzustellen und zu vergleichen. Das sind die Fälle, bei denen die neuen Technologien am meisten bewirken können, trotzdem werden gerade diese Opfer oft übersehen. Es ist ein Dilemma – hauptsächlich brauchen die Opfer einen Fürsprecher, der Druck auf die Behörden ausübt, aber ohne Identifizierung gibt es keine Familien, die sich für die Belange der Vermissten einsetzen. Die Stiftung bemüht sich, das zu ändern.«
    »Das ist großartig.«
    »Ich habe nach Doris Verschwinden zwei Jahre lang nur geweint«, erklärte Mrs. Petracelli. »Nach dieser Phase wurde ich sehr, sehr zornig. Alles in allem war der Zorn nützlicher.« Sie trank einen Schluck Kaffee.
    »Bis vor kurzem wusste ich nichts von Doris Schicksal«, sagte ich sanft. »Dass sie entführt wurde und als vermisst gemeldet ist. Ehrlich – ich hatte keine Ahnung.«
    »Natürlich nicht. Du warst noch ein Kind, als es passierte, und zweifellos hattest du deine eigenen Sorgen, als du dich in einer fremden Umgebung eingewöhnen musstest.«
    »Sie wussten von unserem Umzug?«
    »Na ja, als die Umzugswagen anrollten und euer Mobiliar eingeladen wurde, war mir einiges klar. Dori war am Boden zerstört. Ich bin ehrlich – es hat uns sehr überrascht. Eigentlich hätten wir erwartet, dass deine Eltern uns als gute Freunde vorher Bescheid sagen würden. Aber es war eine verrückte Zeit für deine Eltern. Heute verstehe ich ihren Wunsch, dich zu beschützen.«
    »Was haben sie Ihnen erzählt?«
    Mrs. Petracelli neigte den Kopf und schien einige Erinnerungen aus alten Zeiten auszukramen. »Dein Vater kam eines Nachmittags zu uns und sagte, dass er im Lichte dessen, was sich abgespielt hatte, die Familie für ein paar Tage von hier wegbringen wolle. Selbstverständlich hatte ich Verständnis dafür und machte mir Gedanken, wie du mit allem zurechtkommst. Er meinte, du würdest dich gut halten, glaubte aber, dass ein wenig Urlaub ganz schön wäre und alle auf andere Gedanken bringen würde.
    In der ersten Woche kam mir alles noch ganz normal vor. Außerdem war ich zu sehr damit beschäftigt, Dori bei Laune zu halten – sie schmollte richtig, weil du weg warst. Irgendwann abends rief dein Vater bei uns an, um uns zu sagen, dass er ein großartiges Jobangebot bekommen habe und es anzunehmen gedenke. Er wollte eine Speditionsfirma damit beauftragen, all eure Sachen aus dem Haus zu holen und zu eurer neuen Adresse zu transportieren, weil ihr nicht mehr zurückkommen würdet. Er meinte, dass es so einfacher wäre.
    Wir waren wie vor den Kopf gestoßen. Walter und ich waren sehr gern mit deinen Eltern zusammen, und ihr Mädchen standet euch so nahe. Ich muss gestehen, dass mein erster Gedanke war: Wie soll ich das Dori beibringen? Später wurde ich ein wenig ärgerlich. Ich hatte das Gefühl … Ich wünschte, deine Eltern wären noch einmal hergekommen, um euch Mädchen einen richtigen Abschied zu ermöglichen. Dein Vater blieb am Telefon sehr vage und verriet nicht, in welche Stadt ihr ziehen wolltet. Zwar respektierte ich euer Recht auf Privatsphäre, fühlte mich aber dennoch gekränkt. Immerhin waren wir Freunde. Ich weiß nicht – es war ein furchtbarer Herbst.«
    Sie sah mich an, den Kopf leicht schief gelegt, und ihre nächste Frage war überraschend sanft.
    »Annabelle, erinnerst du dich, was geschehen ist, bevor deine Familie wegzog? Weißt du noch, dass die Polizei in eurem Haus war?«
    »Einiges habe ich noch im Gedächtnis. Ich erinnere mich, kleine Geschenke auf der Veranda gefunden zu haben und dass mein Vater wütend deswegen war.«
    Mrs. Petracelli nickte. »Damals wusste ich nicht, was ich von alldem halten sollte. Ich bin nicht einmal sicher, ob ich die Geschichten von dem Spanner geglaubt habe. Wieso sollte ein erwachsener Mann durch das Schlafzimmerfenster eines kleinen Mädchens spähen? Zu der Zeit waren wir alle grenzenlos naiv. Nur dein Vater schien die Gefahr zu erkennen. Als wir dann erfuhren, dass sich ein fremder Mann auf Mrs. Watts Dachboden versteckt hatte, waren wir alle entsetzt. Solche Dinge kamen in

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